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Antibiotikaeinsatz in der offenen Wundtherapie

Wichtige Hinweise

Grundsätzliches

Wie in der Humanmedizin sind viele der isolierten Erreger bei Wundpatienten im Kleintierbereich zunehmend multiresistent und in der Regel nicht vollständig dekontaminierbar. Selbst unter lokaler Wundtherapie mit systemischer, Resistenztest-basierter Antibiose lässt sich nur in etwa 10 - 50% aller Fälle tatsächlich kurzfristig keine Keimbelastung mehr nachweisen. Allerdings zeigen serielle Untersuchungen, dass dieser Zustand in der Regel nicht von Dauer ist. Experten haben sich darum darauf geeinigt, dass die vollständige Dekontamination kein Ziel ist, welches in der offenen Wundtherapie angestrebt werden muss. Vielmehr gilt es, die Abwehrfunktion des Patienten zu verbessern und die Wundheilung so zu unterstützen, dass die Besiedelung im Rahmen der Kontamination bzw. Kolonisation gehalten wird.

Tabelle 6. Definition der Kontaminationsstadien von Wunden (nach Assadian et al.)

Begriff Definition
Kontamination Keime haften der Wundoberfläche an, vermehren sich aber nicht
Kolonisation Keime vermehren sich auf der Wunde, es gibt jedoch keine Wirtsreaktion
Infektion Keime vermehren sich auf der Wunde und lösen eine lokale oder systemische Wirtsreaktion aus
Biofilm Keime siedeln sich in den Wunden in Gesellschaft mit extrazellulärer Matrix an, durch die sie widerstandsfähiger gegen Wirtsangriffe und Therapien werden
 
Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Indikationen für einen Wundabstrich

Die Frage, wann ein Wundabstrich im Rahmen einer offenen Wundtherapie notwendig wird, richtet sich immer nach dem Infektionsstatus der Wunde. Selbst unter optimierter offener Wundtherapie mit gleichzeitiger, gerichteter Antibiotikatherapie gelingt es, nur einen Bruchteil der offenen Wunden tatsächlich vollständig zu dekontaminieren. Obwohl eine keimfreie Wunde wünschenswert ist, ist dieses Ziel praktisch nicht zu erreichen. Da ein Einfluss auf die Heilung erst ab einer kritischen Kontamination anzunehmen ist, gelten Kontamination und Kolonisation allein heutzutage als normal und bedürfen keiner weiteren Massnahme. Erst wenn sich eine Infektion entwickelt oder die Wundheilung deutlich eingeschränkt ist, wird es notwendig, die Bakterienlast der Wunde genauer zu untersuchen.
 
Der Abstrich der Wunde liefert im Wesentlichen zwei Hauptinformationen:
-Welche Bakterien finden sich in welcher Konzentration in dem beprobten Anteil der Wunde
-Wie ist die Resistenzsituation der identifizierten Erreger
 
Unter diesem Gesichtspunkt gibt es in der klinischen Situation zwei Indikationen für einen Wundabstrich:
-Wenn der Verdacht auf eine Infektion besteht, bei der eine Antibiotikatherapie eingeleitet werden soll
-Wenn wir aus anderen Gründen (z.B. Risikosituation bei Besitzer:innen) wissen müssen, welche Erreger sich in der Wunde befinden
 
Wird ein Abstrich benötigt, ist dieser nach Levine Technik zu entnehmen, um sicherzustellen, dass ein repräsentativer Nachweis gelingt.
 

Anzeichen einer Wundinfektion

Die Beurteilung einer pathologischen Wundinfektion ist nicht immer einfach, da insbesondere in der Entzündungsphase die Übergänge häufig fliessend sind. In der Vergangenheit wurde vielfach ein Zeitfenster von 6 Stunden angegeben, nachdem eine Wunde als infiziert zu betrachten ist. Diese pragmatische Vorgehensweise basiert auf der Annahme, dass innerhalb von 6 Stunden die kritische Masse an Erregern (105 CFU/g Gewebe) erreicht werden kann. Wendet man diesen Gedankengang an, so muss eine offene Wunde nach 6 Stunden immer als infiziert bewertet werden, was nicht den Tatsachen entspricht. Die Definition über Zeit oder Keimmenge allein ist also bei offenen Wunden nicht geeignet, um eine Infektion zu diagnostizieren.
 
Von einer lokalen Wundinfektion ist auszugehen, wenn die Wunde
-die klassischen Anzeichen einer Entzündung zeigt (Rötung, Schwellung, Überwärmung, Funktionsverlust, Schmerz)
UND
-ein Keimnachweis von mehr als 105 CFU/g Gewebe vorliegt.
 
Darüber hinaus hat die Europäische Wundmanagement Association (EWMA) für akute Wunden (bis 3 Monate alte Wunden) die folgenden zusätzlichen Hinweise definiert, die bei der Identifikation einer Infektion herangezogen werden können:
-Cellulitis
-Abszessbildung
-Verzögerte Heilung
-Verhärtungen des Wundrandes
-Blutig-eitriges Exsudat
-Anstieg der Exsudatmenge
-Schlechter Geruch
-Mazeration der Wunde
 
Anzeichen einer systemischen Infektion sind Fieber, Leukozytose/Leukopenie sowie anhaltende Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) bei Hunden/Serum Amyloid A (SAA) bei Katzen. Eine systemische Infektion bedarf einer systemischen Therapie.
 
Therapieleitlinien

Indikationen für eine antimikrobielle Therapie bei Patienten unter offener Wundtherapie

Ziel ist es, die Wunde im Bereich der Kontamination/Kolonisation zu halten. Dies geschieht vor allem durch Debridement und Lavage. Erst ab dem Stadium der lokalen Infektion muss darüber nachgedacht werden, zusätzlich eine antiseptische Wundtherapie anzuwenden.
 
Hierfür eignen sich:

- Polyhexanid Biguanid
- Octenidin (unter Berücksichtigung der Anwendungseinschränkungen)
- Hyperchlore Säure

 
Eine systemische Antibiotikatherapie kann bei schweren lokalen Infektionen begonnen werden und ist in jedem Fall bei systemischen Infektionen angezeigt.
 

Antibiotika

Lokale Wundinfektionen
Priorisierung/­Antibiotika Dosierung Behandlungs­dauer Bemerkungen
Zu beachten Eine Antibiotikatherapie ist nur bei Vorliegen einer lokalen oder systemischen Infektion indiziert. Eine bakterielle Kontamination der Wunde ohne Entzündungsanzeichen (Dolor, Calor, Rubor, Tumor, eitriges Exsudat oder Fieber, Leukopenie, starke Leukozytose, anhaltende CRP/SAA Erhöhung) rechtfertigt keine Antibiotikatherapie und wird durch adäquates Debridement und Lavage adressiert.
First line  
AmoxicillinClavulansäure 12,5 - 20 mg/kg 3 - 6 × tgl. i.v., später 3 × tgl. p.o. Solange klinische Infektionsanzeichen vorhanden sind.

Bei Patienten mit systemischer Infektion oder Sepsis-Verdacht: umgehend bei Vorstellung.
Perioperativ: 30 - 60 min. vor der Inzision und anschliessend alle 90 min. während der Narkose, Therapie fortsetzen solange der Patient Anzeichen einer systemischen Infektion zeigt.

Bei Patienten mit Verdacht auf lokale Wundinfektion: Start nach Wundversorgung
Bei Patienten mit sehr schlechtem Allgemeinzustand ggf. Gabe als Dauertropf
Ampicillin/Sulbactama 30 mg/kg 3 × tgl. i.v.,
dann später zur p.o. Gabe auf Amoxicillin-Clavulansäure wechseln
Second line  
Zu beachten Anpassung der Therapie nur bei ausbleibender klinischer Besserung und auf Grundlage eines Antibiogramms!
Ein First-line­ Antibiotikum 
in­ Kombination ­mit ­einem 
Fluorchinolon


Marbofloxacin

oder

Enrofloxacin




2 - 4 (- 8) mg/kg 1 × tgl.
i.v., später p.o.


Katze: 5 mg/kg 1 × tgl. i.v., später p.o.
Für 5 - 10 Tage Nur bei Patienten mit kritischem Zustand bei denen die First-line Therapie nicht anschlägt, oder bei Patienten im septischen Schock bei Erstoperation.
Enrofloxacin muss für die i.v. Anwendung umgewidmet werden. Eine Dosierung von 5 mg/kg/d darf bei der Katze aufgrund der Gefahr von Retinopathien nicht überschritten werden.
a Wird teils zur intravenösen Anwendung anstelle von Amoxicillin-Clavulansäure bei Hunden verwendet (s. Kapitel 1.12.1, Unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach intravenöser Anwendung von Amoxicillin + Clavulansäure). Die beiden Präparate unterscheiden sich primär bzgl. Pharmakokinetik, das Wirkspektrum ist für Amoxicillin und Ampicillin beinahe identisch. Für Clavulansäure und Sulbactam können aber Unterschiede im Wirkspektrum bei verschiedenen Betalaktamasen auftreten.

 

Resistenzlage

Hoch. Bis zu 89% aller Wunden sind mit Erregern der ESKAPE Gruppe besiedelt, welche in der Regel hochresistent sind.
 

Prävention

Um eine unkomplizierte Heilung zu gewährleisten und eine lokale und systemische Infektion zu vermeiden, ist eine adäquate offene Therapie mit regelmässigen Debridements (wenn nötig), wiederholter Wundlavage und regelmässigem Wechsel der Auflagen zu gewährleisten. Dies sollte jeweils unter sauberen Bedingungen durchgeführt werden. Bei Wunden mit besonders hohem Risiko eines Infektes (ausgedehnter Gewebeverlust, immun-supprimierter Patient) muss ggf. initial eine tägliche Wundpflege (teils Reinigung und Lavage alle 12 Stunden) oder eine Vakuum-Wundtherapie eingeleitet werden.

 
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