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Sepsis

Wichtige Hinweise

Grundsätzliches

Sepsis bezeichnet eine systemische Entzündungsreaktion als Antwort auf ein infektiöses Agens. Neuere Definitionen beziehen das Vorliegen einer Multiorgan-Dysfunktion (MODS) mit in die Definition ein. Die Pathophysiologie ist komplex und beinhaltet sowohl eine pro-inflammatorische, als auch anti-inflammatorische Reaktion, welche, wenn überschiessend, zu Organdysfunktion und dem Tod des Individuums führen können. Die frühzeitige Identifikation des septischen Herdes, dessen Beprobung für Kultur und Antibiogramm und, falls möglich, dessen Behebung sind essenziell für den Verlauf des Patienten. Die Antibiotikatherapie sollte innert 1h nach (Verdachts-)Diagnose mittels Breitspektrum Antibiose initiiert und nach Erhalt des Antibiogramms angepasst werden. Daneben sind eine aggressive unterstützende Behandlung und ein engmaschiges Monitoring zentral. Die Prognose hängt vom Schweregrad der zugrundeliegenden Infektion und von deren frühzeitigen und adäquaten Therapie ab.

 
Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Ursachen, Risikofaktoren und Schlüsselstellen

Bakteriämie ist definiert als das Vorliegen lebender Mikroorganismen in der Zirkulation. Endotoxämie bezeichnet das Vorkommen von LPS (Bestandteil der Zellwand von gram-negativen Bakterien) in der Blutbahn. Typische Symptome assoziiert mit Bakteriämie sind eine veränderte Körpertemperatur, Tachykardie, Tachypnoe und Neutrophilie oder Neutropenie. Diese Symptome beinhaltet auch das Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS), welches, wenn es durch ein infektiöses Agens induziert und mit Organ-Dysfunktion assoziiert ist, als Sepsis bezeichnet wird.
 
Sepsis bezeichnet das klinische Bild einer systemischen Entzündungsreaktion ausgelöst durch ein infektiöses Agens oder dem hohen Verdacht einer Infektion. Kürzlich wurde Sepsis in der Humanmedizin neu definiert als lebensbedrohliche Organ-Dysfunktion, welche durch eine Dysregulation der entzündlichen Wirtsantwort als Folge einer Infektion verursacht wird. Ältere Arbeiten definieren dies als schwere Sepsis (Sepsis mit Sepsis-induzierter Organdyfunktion oder Gewebehypoperfusion). Als septischer Schock wird eine Sepsis-induzierte Hypotension bezeichnet, welche trotz adäquater Flüssigkeitstherapie bestehen bleibt.
 
Häufige beschriebenen Ursachen von Sepsis beim Hund sind Peritonitis (vom GI- oder Urogenitaltrakt ausgehend) und Pneumonie. Auch Patienten unter Chemotherapie sind anfälliger für Sepsis, insbesondere kleine Hunde mit Lymphom nach Doxorubicin oder Vincristin Therapie. Mit Endotoxämie (mit/ohne Bakteriämie) wurden Parvovirus-Enteritis, Magendrehung, Pyometra, Mastitis, andere gram-negative Infektionen und Hitzeschlag assoziiert. Bei Katzen wurden als Risikofaktoren für schwere Sepsis u.a. Pyothorax, septische Peritonitis, Pneumonie, Endokarditis, Pyelonephritis, Osteomyelitis, Pyometra und Bisswunden identifiziert.
 
Bei der Pathogenese von SIRS/Sepsis spielt eine Imbalance zwischen pro- und anti-inflammatorischen Zytokinen, der Aktivierung und Hemmung der Gerinnungskaskade, pro- und anti-oxidativer und apoptotischer Mechanismen eine zentrale Rolle. Kommt es zu einer Imbalance, führt dies zur exzessiven Aktivierung von Neutrophilen, deren Aggregation und Chemotaxis, einer Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten, einem pro-koagulatorischen Zustand gefolgt von DIC, einer Vasodilatation mit systemischer Hypotension, einer generalisierten Funktionsstörung des Endothels, und einer erhöhte Gefässpermeabilität und gastrointestinaler Ulzerationen.
 
Damit verbunden kommt es zu verschiedenen Organsystem-Dysfunktionen:

Kardiovaskuläres System: myokardiale Dysfunktion mit nachfolgend vermindertem Cardiac output, Verlust des Vasomotortonus der Gefässe und Hypotension
Respirationstrakt: Akkumulation von Protein-reicher Flüssigkeit in den Alveolen mit Infiltration von Entzündungszellen mit nachfolgendem «acute respiratory distress syndrome» (ARDS) und vermindertem O2 Austausch
Nieren: akute Niereninsuffizienz infolge Ischämie/Reperfusionsschäden und oder Aktivierung von Makrophagen/Neutrophilen, Veränderter NO Metabolismus, zytopathische Hypoxie und renale Apoptose
GI-Trakt: manifestiert durch Ileus, Erbrechen/Durchfall, gastrointestinale Ulzerationen, schlechte Toleranz gegenüber enteraler Ernährung
Hepatobiläres System (Leber = Schockorgan des Hundes): manifestiert durch Hypoalbuminämie, Koagulopathie, Hypoglykämie, Ikterus/Cholestase, hepatoencephales Syndrom
Mikrozirkulation: Gewebeischämie infolge verminderter Diffusion (erhöhte Gefässpermeabilität, Gewebeödeme) und vermindertem Zustrom von O2 (verminderte Anzahl perfundierter Kapillaren).

 

Erreger

Bakterielle Erreger je nach septischem Herd, Endotoxämie infolge gram-negativer Bakterien.

 
Diagnose / Tests

Die Diagnose basiert auf der Anamnese, den klinischen Symptomen, einer labordiagnostischen Untersuchung und auf mikrobiologischen Tests.
 

Mögliche SIRS-Anzeichen in der klinischen Untersuchung:

Hund: T < 37,2°C/> 39,2°, HF > 140/min, AF > 30/min, Leukozytenzahl < 6000 / > 19`000 × 103 /µl und/oder Linksverschiebung (> 3%)
 
Katze: T < 37,8°C/> 40,0°, HF < 140 / > 225/min, AF > 40/min, Leukozytenzahl < 5000 / > 19`500 × 103 /µl und/oder Linksverschiebung (> 5%)
 

Labordiagnostische Veränderungen/Gerinnung/Biomarker:

Hämatologie: Anämie, Leukozytose oder Leukopenie mit erhöhten stabkernigen Neutrophilen und Neutrophilen mit Toxizitätsanzeichen, Thrombozytopenie, Aktivierung der Gerinnungskaskade, evt. Schistozyten
 
Blutchemie: Hypoglykämie/Hyperglykämie, Hypoalbuminämie, Hyperbilirubinämie, Hypercholesterinämie. Zusätzliche Veränderungen je nach zugrunde liegendem Krankheitsprozess
 
Gerinnung: progressiver Abfall der Thrombozytenzahl, erhöhte D-Dimere, erhöhte FDP, abnorme Gerinnungszeiten (viscoelastographisch initial Tendenz zu Hyperkoagulopathie, gefolgt von Verbrauchskoagulopathie mit/ohne Hyperfibrinolyse)
 
Biomarker: Anstieg von Akut-Phase Proteine (CRP, Amyloid A)
 

Mikrobiologische Tests:

Identifikation des septischen Fokus und Kultur mit Antibiogramm aus Flüssigkeit/Gewebe frühzeitig im Diagnoseverlauf. Die bakterielle Kultur sollte, wenn immer möglich, vor Start der Antibiotikatherapie erfolgen, obschon ein klarer Zusammenhang zwischen Antibiotikatherapie und falsch negativen Kulturen nicht schlüssig gezeigt werden konnte. Eine bakteriologische Untersuchung ist deshalb auch nach Start der Antibiotikatherapie immer indiziert, eine Verzögerung der Antibiose sollte auf jeden Fall verhindert werden (s. Therapie). Wenn die Infektionsquelle nicht bzw. schwer zu beproben ist (Pneumonie bei Narkose-instabilem Patienten, zentrales Nervensystem) werden Blutkulturen empfohlen (siehe Kapitel 1.15 Durchführung von mikrobiologischen Tests).

 
Therapieleitlinien

Grundsätzliches

Die Eckpfeiler der Therapie sind die Aufrechterhaltung der Perfusion, die Kontrolle des septischen Herdes und die unterstützende Behandlung. Die Aufrechterhaltung der Sauerstoffversorgung aller Organe durch Sicherstellung einer adäquaten Perfusion ist das Hauptziel der Behandlung (s. Begleitende Massnahmen).
 

Antibiotikatherapie

Zeitpunkt der Administration

Eine frühzeitige, wirksame Antibiotikatherapie wurde in zahlreichen humanmedizinischen Studien als entscheidender Faktor für das Überleben von Patienten mit Sepsis identifiziert. In einer Studie bei Patienten mit septischem Schock führte jede Stunde der Verzögerung einer effektiven Antibiotikatherapie zu einer Erhöhung der Sterblichkeit um 7,6%.
 
Bei Patienten mit Sepsis, aber ohne septischen Schock, ist dieser Zusammenhang weniger gut dokumentiert, aber es wird davon ausgegangen, dass die Mortalität erhöht ist, falls nicht innerhalb von 3 bis 5 Stunden nach Diagnose der Sepsis eine adäquate Antibiotikatherapie gestartet wird.
 
Die humanmedizinische Sepsis-Leitlinie (Surviving Sepsis Guidelines) empfiehlt ein differenziertes Vorgehen. Bei der Entscheidung über Dringlichkeit und Notwendigkeit einer Antibiotikatherapie soll nebst der Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion vorliegt, immer auch die Schwere der Erkrankung des Patienten berücksichtigt werden. Bei Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für Sepsis oder septischen Schock sollte die Antibiotikatherapie so früh wie möglich, sicher aber innerhalb der ersten Stunde nach Erkennung begonnen werden.
 

Spektrum

In der initialen Phase der Behandlung des septischen Patienten, in der die ursächlichen Erreger und deren Antibiotikaempfindlichkeit unbekannt sind, muss ein breites Spektrum möglicher Erreger abgedeckt werden. Die Entscheidung, welches Antibiotikum oder welche Kombination von Antibiotika hierfür ausgewählt werden, sollte auf dem bekannten Spektrum der Bakterienspezies für die spezifische Infektionsquelle (z.B. Dünndarmperforation vs. Urosepsis vs. Aspirationspneumonie vs. bakterielle Meningitis) basieren. Weitere wichtige Faktoren, welche für die erste, empirische Wahl eines Antibiotikums berücksichtigt werden müssen, sind die lokale Resistenzsituation der vermuteten Bakterienspezies in der Region/Institution und Patienten-spezifische Risikofaktoren für das Vorliegen resistenter Keime (insbesondere eine Behandlung mit Antibiotika in den letzten 3 Monaten, eine bekannte Kolonisation mit antibiotikaresistenten Keimen oder eine kürzliche Hospitalisation).
 
Die wichtigsten in der Literatur genannten Bakterien/-spezies, welche mit verschiedenen Ursachen einer Sepsis bei Kleintieren assoziiert sind, sind:

- Urosepsis: Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Staphylococcus pseudintermedius, Pseudomonas aeruginosa, Enterococcus faecalis
- Septische Peritonitis: Escherichia coli, Enterococcus spp., Clostridium spp., Streptococcus spp.
- Nekrotisierende Weichteilinfektionen: β-hämolysierende Streptokokken, Escherichia coli, Staphylococcus intermedius Gruppe
- Aspirationspneumonie: Escherichia coli, Streptococcus spp., Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter spp.
- Cholangiohepatitis: Escherichia coli, Salmonella enterica, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Streptococcus spp.
- Bakterielle Meningitis: Staphylococcus spp., Pasteurella spp., Actinomyces spp., Nocardia spp., Bacteroides spp.

 
In der folgenden, gezielten Phase der Therapie wird die empirische Antibiotikawahl basierend auf Resultaten von bakterieller Kultur und Antibiogramm angepasst. Jedoch muss das klinische Ansprechen auf die Therapie berücksichtigt werden, wenn ein Wechsel des Antibiotikums in Betracht gezogen wird. Von einem breiten Spektrum sollte auf ein möglichst schmales Spektrum umgestellt werden, und Antibiotika, welche nicht als effektiv oder notwendig identifiziert wurden, werden abgesetzt (Deeskalation). Die Deeskalation zu einer Monotherapie, wann immer dies möglich ist, ist besonders wichtig, da unnötige Kombinationstherapien ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Breitspektrum-Resistenzen bergen können.
 
Falls sich der initiale klinische Verdacht der Sepsis im weiteren Verlauf der Therapie nicht bestätigt und stattdessen andere Ursachen der Erkrankung diagnostiziert werden (wie Neoplasie, parasitäre Infektion, sterile entzündliche Erkrankung), sollte die Antibiotikatherapie umgehend beendet werden.
 

Dosis und Verabreichung

Um einen maximalen bakteriziden Effekt auf die pathogenen Bakterien auszuüben und die Selektion von Antibiotikaresistenzen zu unterdrücken, ist es essenziell, bereits mit der ersten Dosis eine optimale Wirkstoffkonzentration des Antibiotikums zu erreichen. Suboptimale initiale Wirkstoffkonzentrationen können innert weniger Stunden eine Aktivierung bakterieller Resistenzmechanismen (z.B. Efflux-Pumpen) induzieren und teilweise resistente Subpopulationen von Bakterien selektionieren, welche weitere Resistenzen ausbilden können. Dieser Prozess ist besonders wahrscheinlich zu Beginn der Infektion, da zu diesem Zeitpunkt die höchste Bakterienzahl am Infektionsort vorhanden ist.
 
Die Antibiotikatherapie bei Sepsis sollte ausschliesslich intravenös erfolgen, da die gastrointestinale und subkutane Absorption von Medikamenten bei septischen Patienten nicht verlässlich ist. Bei Sepsis-Patienten wurden nach der Verabreichung von Standarddosen verschiedener Antibiotika sehr variable und oft suboptimale Plasmakonzentrationen der Wirkstoffe festgestellt. Die Ursache davon sind ausgeprägte pharmakokinetische Unterschiede bei Sepsis-Patienten im Vergleich zu gesunden Individuen. Flüssigkeit- und Proteinextravasation durch durchlässigere Kapillarmembranen und die Expansion des Extrazellularraums erhöhen das Verteilungsvolumen für wasserlösliche Medikamente deutlich. Beispielsweise kann sich das Verteilungsvolumen der wasserlöslichen Aminoglykoside und Betalaktam-Antibiotika bei septischen Patienten im Vergleich zu gesunden Individuen mehr als verdoppeln. Sepsis beeinflusst auch die Elimination von Medikamenten. Septische Patienten haben oft ein erhöhtes Herzminutenvolumen, einen erhöhten renalen Blutfluss und dadurch eine erhöhte glomeruläre Filtrationsrate. Das daraus resultierende Phänomen der erhöhten Clearance von renal ausgeschiedenen Antibiotika wurde bei bis zu 50% der humanen Patienten auf einer Intensivstation nachgewiesen. Andererseits ist Sepsis eine bekannte Ursache für akutes Nierenversagen und die damit verbundene reduzierte renale Ausscheidung von Medikamenten. Folglich empfiehlt die humanmedizinische Sepsis-Leitlinie, die Dosierung von Antibiotika durch eine Anpassung an die Nierenfunktion des Patienten zu optimieren.
 
Zwei Faktoren müssen bei der Dosierungs- und Applikationsstrategie eines Antibiotikums im Rahmen von Sepsis berücksichtigt werden: Medikamenten-spezifische Eigenschaften, welche für eine bakterizide Wirkung nötig sind (insbesondere zeitabhängig vs. konzentrationsabhängig) und die spezifischen pharmakokinetischen Eigenschaften des Medikamentes.
 
Bei zeitabhängigen Antibiotika sollte das Dosierungsschema so gewählt werden, dass die Plasmakonzentration des Wirkstoffes während einer möglichst langen Zeitspanne über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des Bakteriums liegt. Bei septischen Patienten wird empfohlen, deutlich höhere als die üblichen Plasmakonzentrationen zu erreichen. Für Betalaktam-Antibiotika wird empfohlen, dass die Plasmakonzentration während 100% des Dosisintervalls mindestens 4 bis 8-fach oberhalb der MHK liegt. Im Gegensatz dazu ist bei konzentrationsabhängigen Antibiotika die maximale Plasmakonzentration der limitierende Faktor, um einen bakteriziden und Resistenz-unterdrückenden Effekt zu erreichen.
 

Betalaktam-Antibiotika

Betalaktam-Antibiotika sind hydrophile, zeitabhängige Antibiotika, welche hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden werden. Um ihrem erhöhten Verteilungsvolumen bei Sepsis Rechnung zu tragen, sollte gemäss einer humanmedizinischen Leitlinie die initiale Dosis bis zu doppelt so hoch sein als die Standarddosis. Danach wird eine kontinuierliche Infusion empfohlen. Es wurde festgestellt, dass bei Betalaktam-Antibiotika durch eine verlängere intravenöse Verabreichungszeit (beispielsweise über 3 - 4 Stunden statt über die üblichen 15 Minuten) oder durch die Verabreichung als Dauertropfinfusion höhere Wirkkonzentrationen im Plasma und Zielgewebe erreicht werden können als bei der konventionellen Verabreichung als intravenöser Bolus. Bei septischen Patienten mit intakter Nierenfunktion kann man davon ausgehen, dass die renale Ausscheidung von Betalaktam-Antibiotika erhöht ist und deshalb eine höhere totale Tagesdosis verabreicht werden sollte, bis sich der klinische Zustand des Patienten verbessert hat. Bei verminderter renaler Ausscheidung infolge eines akuten Nierenschadens sollte hingegen die totale Tagesdosis reduziert werden, während die Applikationsfrequenz beibehalten wird.
 
Für die Verabreichung von Ampicillin-Sulbactam bei Hunden oder Katzen mit Sepsis und intakter Nierenfunktion kann folgendes Dosierungsschema angewendet werden: initiale Ladedosis von 50 mg/kg als Bolus i.v., gefolgt von einer Dauertropfinfusion (6 mg/kg/h) bis sich der Zustand des Patienten verbessert hat.
 

Aminoglykoside

Aminoglykoside sind hydrophile, konzentrationsabhängige Antibiotika und werden über die Nieren ausgeschieden. Angesichts ihres erhöhten Verteilungsvolumens bei Patienten mit Sepsis werden höhere Dosen empfohlen. Die einmal tägliche Gabe einer hohen Dosis und die Beschränkung auf eine kurze Therapiedauer (maximal 5 Tage) erlaubt eine Maximierung des Effektes bei gleichzeitiger Minimierung der nephrotoxischen Wirkung. Aufgrund ihrer geringen therapeutischen Breite wird in der Humanmedizin empfohlen, bei Anwendung von Aminoglykosiden bei kritisch kranken Patienten eine regelmässige Messung der Wirkstoffkonzentration durchzuführen. In Abwesenheit dieser Möglichkeit kann als Richtwert für Amikacin bei septischen Hunden und Katzen mit intakter Nierenfunktion eine Dosis von 15 mg/kg alle 24 Stunden verwendet werden. Bei Tieren mit eingeschränkter Nierenfunktion dürfen Aminoglykoside aufgrund ihrer Nephrotoxizität nicht eingesetzt werden.
 

Fluorchinolone

Fluorchinolone sind lipophile, konzentrationsabhängige Medikamente mit renaler und hepatischer Elimination. Ihr Verteilungsvolumen verändert sich bei Sepsis nicht signifikant, weshalb eine Ladedosis nicht hilfreich ist. Da bekannt ist, dass die bakterizide und Resistenz-supprimierende Wirkung konzentrationsabhängig ist, sollten hohe Dosen verwendet werden. Als Richtwerte zur Therapie septischer Hunde und Katzen gelten: Marbofloxacin 5 mg/kg 1 × täglich bei Hund und Katze; Enrofloxacin beim Hund: 20 mg/kg 1 × täglich. Enrofloxacin sollte bei Katzen mit Sepsis nicht angewendet werden, da höhere Dosen als 5 mg/kg/d mit retinaler Toxizität (Erblindung) assoziiert sind.
 
Die Strategien zur Optimierung der Wirksamkeit der eingesetzten Antibiotika müssen fortlaufend an die individuellen Eigenschaften des Patienten angepasst werden, um effektiv zu sein. Während zu Beginn der Therapie die beschriebenen, pharmakokinetischen Veränderungen und die hohe Bakterienzahlen am Infektionsort höhere Dosen oder kürzere Applikationsintervalle rechtfertigen, kann nach einem Ansprechen auf die Therapie und einer Verbesserung des klinischen Zustandes mittels einer Deeskalation der Dosierungsstrategie das Risiko einer Medikamenten-Akkumulation und -Toxizität reduziert werden.
 

Dauer der Therapie

Traditionell wurden Patienten mit Infektionen bis zum Verschwinden der klinischen Symptome antibiotisch behandelt. In den letzten Jahren konnten Studien bei verschiedenen akuten Infektionen beim Menschen (Pneumonie, Bakteriämie, intraabdominale Infektionen, Harnwegsinfektionen) jedoch zeigen, dass eine kürzere Therapiedauer den gleichen Behandlungserfolg zeigt wie Protokolle mit längeren Therapiedauern. Beispielsweise wurde in der STOP-IT Studie nachgewiesen, dass bei Patienten mit komplizierten intraabdominalen Infektionen (d.h. mit Perforation abdominaler Organe) und adäquater Kontrolle des septischen Herdes eine 4-tägige Antibiotikatherapie genauso effektiv war wie die traditionelle Therapie, welche bis 2 Tage über das Verschwinden von Fieber, Leukozytose und Ileus hinaus durchgeführt wurde (median 8 Tage in dieser Studie). Für Patienten mit Sepsis fehlen aktuell noch vergleichbare Studien.
 
Zusätzlich ist bezüglich der Therapiedauer zu bedenken, dass unnötige Antibiotikabehandlungen mit zahlreichen negativen Effekten verbunden sind. Am besten bekannt ist die Selektion von Antibiotikaresistenzen. Eine Studie zeigte beispielsweise, dass jeder zusätzliche Tag der Gabe eines gegen Pseudomonas wirksamen Betalaktam-Antibiotikums bei Patienten mit Sepsis oder septischem Schock das Risiko einer neuen Resistenz um 4% erhöhte. Während die globale Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen mittlerweile allgemein anerkannt ist, ist es entscheidend zu verstehen, dass Antibiotika auch die jeweils behandelten Patienten direkt schädigen und zu erhöhter Mortalität führen können. Dafür verantwortlich sind unter anderem die unerwünschten Arzneimittelwirkungen und das Auftreten von Superinfektionen mit multiresistenten Bakterien bei den behandelten Patienten. Ausserdem führen Antibiotikabehandlungen zu teils langanhaltenden Störungen des Mikrobioms der Patienten, was mit Veränderungen der Immunantwort und der Entwicklung von Immunerkrankungen assoziiert wurde. Zusätzlich gibt es Hinweise aus experimentellen Studien, dass Antibiotika mittels direkter mitochondrialer Effekte und durch Beeinflussung des Mikrobioms zu Organdysfunktionen führen können.
 
Da im Moment Evidenz-basierte Daten zur optimalen Behandlungsdauer von Patienten mit Sepsis fehlen, empfiehlt die aktuelle humanmedizinische Leitlinie, generell kürzere gegenüber längeren Therapiedauern zu favorisieren, sofern die Infektionsquelle kontrolliert werden konnte, ohne eine genaue Therapiedauer zu nennen. Mehrere Aspekte sollten hierbei berücksichtigt werden: Immunkompetenz des Patienten, Ort der Infektion, Kontrolle des septischen Herdes, Erregereigenschaften und eingesetzte Antibiotikaklasse. Statt eine vorab festgelegte Therapiedauer zu verwenden, sollte der individuelle Bedarf einer antibiotischen Behandlung des Patienten täglich neu überprüft werden.
 

Unterstützende Massnahmen

Die Behebung des Kreislaufschocks (hypovolämisch und/oder distributiv) ist das Hauptziel der unterstützenden Behandlung. Eine ziel-orientierte Flüssigkeitstherapie mit engmaschiger Überwachung ist zentral. Bei der Wahl des Infusionstyps und der Menge sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, unter anderem die erhöhte Gefässpermeabilität und der niedrige onkotische Druck, Flüssigkeitsverluste z.B. bei Peritonitis oder Durchfall, Gerinnungsstatus sowie Beeinträchtigung von Lungen- und Nierenfunktion. Isotone Kristalloide sind grundsätzlich die Infusionslösung der ersten Wahl. Der Einsatz von synthetischen Kolloiden (z.B. Hydroxyethylstärke) ist beim Menschen mit Sepsis kontraindiziert und beim Kleintier kontrovers da es zu akuter Nierenschädigung führen kann. Es wird von einigen Autoren in kleinen Dosierungen als mögliche kurzzeitige Überbrückungslösung erwähnt. Eine sicherere Alternative beim Kleintier ist autologes frisch gefrorenes Plasma oder kryoarmes Plasma als natürliches Kolloid. Auch die Verwendung von humanem Albumin ist kontrovers. Ein kardiovaskulärer Support mit Vasopressoren (Noradrenalin) und/oder positiv inotropen Medikamenten (Dobutamin) ist bei euvolämischen, aber hypotensiven Patienten (septischer Schock), indiziert.
 
Nebst der Kontrolle des septischen Herdes und einer ziel-orientierten Flüssigkeitstherapie müssen mögliche Grund- oder involvierte Begleiterkrankungen therapiert werden. Sauerstoff-Supplementierung ist indiziert bei Hypoxämie (PaO2 < 80 mmHg oder SpO2 < 90 - 92%). Säure-Blocker (insbesondere Protonenpumpen-Blocker) kommen häufig zum Einsatz.

 
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