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Hintergründe und Wundversorgung

Therapieleitlinien

Grundsätzliches

Grundprinzip einer guten Wundversorgung ist es, die Wundheilung zu unterstützen und dem Körper zu ermöglichen, die Phasen der Wundheilung effizient zu erreichen. Am Anfang steht die Entzündungsphase, in welcher der Körper als Reaktion auf das Trauma pro-inflammatorische Mediatoren ausschüttet. Getragen wird diese Phase von Thrombozyten, neutrophilen Granulozyten und später Makrophagen. Ziel der Phase ist es, nekrotisches und zerstörtes Gewebe abzubauen, Bakterien abzutöten, und die amorphe Grundsubstanz des Gewebes aufzulockern, um in der Folge den Aufbau und die Integration neuen Gewebes zu ermöglichen. Diese Phase ist notwendig, weil sie auch dafür sorgt, dass in der Folge neue Gefässe einsprossen und Fibroblasten proliferieren, um in der folgenden Phase der Proliferation das geschädigte Gewebe wieder aufzubauen.
 
Um dem Körper zu helfen, diese Phase der Entzündung adäquat und zügig zu durchschreiten, ist das Debridement von nekrotischem, minderdurchblutetem Gewebe essenziell. Das Debridement bildet daher immer den ersten Schritt der Wundversorgung. Bleiben Nekrosen bestehen, bleibt die Wunde in einem chronischen Entzündungsprozess `stecken' und es kommt zu einer verzögerten oder, im schlechtesten Fall, zu einer ausbleibenden Heilung.
 
Das Debridement ist auch ein wesentlicher Schritt, um die Bakterienlast der Wunde zu senken, und der einzige Schritt, der geeignet ist, Biofilm abzutragen. Um die Bakterienlast weiter zu senken, erfolgt zusätzlich die Wundlavage. Bei rein kontaminierten Wunden ist die Lavage mit steriler Kochsalzlösung oder Ringer als Niederdrucklavage ausreichen. Besteht der Verdacht auf eine kritische Kolonisation oder Infektion, erfolgt die Lavage mit einem Wundantiseptikum. Aktuell wird hierzu vor allem Polyhexanid Biguanid empfohlen. In einer aktuellen Studie zu Bissverletzungen von Hunden konnte nachgewiesen werden, das Polyhexanid eine bessere Dekontamination erreicht als Kochsalzlösung. Allerdings konnte bei diesen akuten Wunden auch mit Kochsalzlösung in einer Dosis von 30 ml/cm2 Wundfläche eine gute Dekontamination erreicht werden.
 
Octenidin-haltige Lösungen können bei flachen Wunden ebenfalls verwendet werden. Sie haben aber den Nachteil, dass sie bei unsachgemässem Einsatz (bei Wunden mit Taschen, in denen die Lösung versacken kann, bei Applikation mit Druck oder bei Lavage ohne anschliessender Nachspülung mit Kochsalzlösung) massive Nekrosen verursachen können.
 
Nach ausgiebiger Säuberung der Wunde erfolgt die Abdeckung. Bei Wunden, bei denen ein sauberer Wundgrund erreicht wurde (in der Regel durch en bloc Debridement des gesamten kontaminierten Gewebes), bei denen keine Bedenken bezüglich der Vaskularisation bestehen und bei denen der Patient keine Anzeichen einer systemischen Infektion (oder im schlechtesten Fall Sepsis) zeigt, kann ein Verschluss erfolgen.
 
In folgenden Situationen ist eine, zumindest initiale, offene Therapie anzustreben:

- Wunden mit etablierter Infektion
- Wunden, die eine systemische Infektion (oder sogar Sepsis) ausgelöst haben
- Wunden mit ausgedehnter Nekrose, bei denen unklar ist ob ggf. noch weiteres Gewebe abstirbt
- Wunden mit fraglichem Perfusionsstatus.

 
In der offenen Wundtherapie kann der Chirurg Debridement und Lavage wiederholen und die Wunde durch die Auswahl der geeigneten Wundauflage in der Heilung aktiv unterstützen. Dabei ist es wichtig mindestens eine interaktive Wundauflage (Alginat, Polymerschaumstoff) zu wählen. Bei massivem Trauma, bei stark infizierten Wunden, bei bereits septischen Patienten und bei Wunden mit hochresistenten Keimen empfiehlt sich eine Therapie mittels Unterdruckes (Vakuumtherapie). Für weitere Informationen sei auf die Fachliteratur am Ende dieses Kapitels verwiesen.
 

Hygiene bei Wunden

Da die Wunde eine offene Pforte für einen Keimeintritt in den Körper darstellt, muss sie, soweit möglich, hygienisch gehandhabt werden. Vor/nach jeder Manipulation sind die Hände gemäss den fünf Momenten der Handhygiene (WHO) zu desinfizieren. Bei Massnahmen, bei denen die Wunde direkt angefasst wird, müssen nach Handdesinfektion sterile Handschuhe angezogen werden, um ein steriles Arbeiten zu ermöglichen. Es sollte ausschliesslich mit sterilen Instrumenten gearbeitet werden. Scherköpfe sind vor dem Ausscheren frisch aufzusetzen und müssen nach jedem Wundpatienten umgehend gereinigt werden.
 
Bei Erstvorstellung wird zunächst steriles Gel in die Wunde appliziert. Die Wunde wird dann mit einem Tupfer abgedeckt, während die Haut drumherum grosszügig geschoren wird (keine Nassrasur! Mindestens 5 - 10 cm um die Wunde). Das Gel und der Tupfer dienen dazu, eine weitere Kontamination der Wunde währen des Scherens (insbesondere durch Haare) zu verhindern. Als nächstes wird die Wunde ausgewaschen (mit steriler Kochsalzlösung oder mit einem Wundantiseptikum, wenn weder Körperhöhlen noch ZNS penetriert wurden).
 
Danach wird die Haut um die Wunde mit einer pH-neutralen Seife gewaschen (die Seife sollte dabei möglichst nicht in die Wunde gelangen) und anschliessend mit 70% Ethanol desinfiziert, bevor die Wundversorgung beginnt. Dieses Vorgehen wird bei der offenen Wundtherapie bei jedem Wechsel der Wundauflage wiederholt.
 
Bei stabilen Patienten erfolgt umgehend eine Wundversorgung, um eine Infektion zu vermeiden. Bei adäquatem Management und stabilen Patienten kann durch eine schnelle, adäquate Erstversorgung der Einsatz eines Antibiotikums häufig vermieden werden. Im Umkehrschluss ersetz eine antibiotische Therapie nicht eine gute und zügige Wundreinigung und Versorgung. Studien haben gezeigt, dass bei akuten Bissverletzungen bereits eine einmalige Antibiotikagabe innerhalb von 6 Stunden vor der Wundversorgung auf resistente Erreger hin selektioniert. Solange die Wunde noch nicht gesäubert und debridiert ist, stellt das ein besonders hohes Risiko dar, da sich diese Erreger auf nekrotischem Gewebe vermehren und die körpereigene Abwehr in einer Wunde in diesem Zustand nicht adäquat greifen kann. Im schlechtesten Fall provoziert man durch eine verzögerte Wundversorgung in Kombination mit einer Antibiotikatherapie eine systemische Infektion mit resistenten Erregern.
 
Bei instabilen Patienten muss nach Einleiten der Massnahmen, um einen Schock oder lebensbedrohliche Verletzungen zu adressieren, immer zumindest eine Erstversorgung der Wunde erfolgen. Diese besteht aus Rasur der wundumgebenden Haut (s. oben), gefolgt von einer vorsichtigen Reinigung und Lavage der Wunde. Totes Gewebe und Dreck wird aus der Wunde entfernt, soweit der Patient es zulässt. Die oben genannten Angaben für Handhygiene im Umgang mit Wunden sind einzuhalten. Kann eine vollständige Versorgung im Anschluss nicht erfolgen (Patient nicht stabil genug für eine Narkose), wird die Wunde mit einer Wundauflage abgedeckt; hier empfehlen sich vor allem Polymerschaumstoffauflagen zum Kleben. Die endgültige Versorgung erfolgt, sobald es der Zustand des Patienten zulässt. Bis dahin muss die Wunde ggf. alle 6 - 8 Stunden erneut gereinigt werden (mittels Lavage).
 
Da Wundexsudat potenziell kontaminiert ist, sollte bei jeder Wundversorgung ein offener Abwurf neben dem Tisch stehen, in dem umgehend alle verwendeten Materialien entsorgt werden können.
 

Keime in Wunden

Offene Wunden sind durch den fehlenden Schutz der Haut häufig bakteriell besiedelt, in der Regel handelt es sich um eine polymikrobielle Besiedelung.
 
Bei Wunden, die bereits mit einem Antibiotikum behandelt wurden (d.h. häufig bei SSI nach Operationen, die unter prophylaktische Antibiotikatherapie gestellt wurden), besteht ein hohes Risiko einer Wundbelastung mit multiresistenten Keimen der sogenannten ESKAPE Gruppe. Zu dieser Gruppe gehören Enterobacterales spp., Staphylococcus aureus (beim Hund eher Staphylococcus pseudintermedius), Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumanii, Pseudomonas aeruginosa und Enterococcus faecalis bzw. faecium. Ein weiterer Keim, der in Wunden häufig vorkommt und nicht in diesem Akronym erfasst wird ist Escherichia coli.
 
Diese Keime sind potente Biofilm-Bildner und können schnell umfangreiche Resistenzen entwickeln. Aus diesem Grund können sie häufig nicht durch normale Therapien wie systemische Antibiotikatherapie bekämpft werden.

 
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