mdi-book-open-variant Impressum mdi-help Hilfe / Anleitung mdi-printer Webseite ausdrucken mdi-bookmark Bookmark der Webseite speichern mdi-magnify Suche & Index AntibioticScouts mdi-sitemap Sitemap CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-home Startseite CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-email Beratungsdienst: Email / Post / Telefon

Tiefe bzw. penetrierende Bissverletzung

Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Ursachen, Risikofaktoren, Schlüsselstellen

Die sichtbare Verletzung der Hautoberfläche kann trügerisch sein, tiefe penetrierende Wunden mit Verletzungen durch Scherkräfte, Risse und Quetschungen sind möglich. Man nennt häufig den Vergleich mit der "Spitze des Eisbergs". Tiefe bzw. penetrierende Bissverletzungen gehen tiefer als nur bis zur Subcutis und verletzen darunterliegende Gewebe.
 

Erreger

Bei Infektionen von Bissverletzungen handelt es sich häufig um Mischinfektionen. Viele verschiedene aerobe und anaerobe Bakterien können Bisswunden infizieren. Die häufigsten Erreger gehören zu den Pasteurella spp. (Pasteurella canis, Pasteurella multocida), Neisseria spp., Staphylococcus spp. (Staphylococcus pseudintermedius, Staphylococcus aureus), Streptococcus spp. (Streptococcus canis), Enterococcus spp. und Enterobacter spp. Selten treten Infektionen mit Mykoplasmen, Mykobakterien oder Pilzen auf.
 

Symptome

Tiefe bzw. penetrierende Bissverletzungen gehen bis unter die Subkutis ins darunterliegende Gewebe und möglicherweise auch in Körperhöhlen oder Gelenke. Scherkräfte, die während des Bisses und der Abwehrbewegung entstehen, können zusätzlich grosse Gewebeschädigungen bis in die Peripherie hervorrufen. Die offensichtlichen Verletzungen stellen nicht immer das Hauptproblem dar, Hinweise auf Schock und Kreislaufinstabilität müssen gleichfalls beachtet werden.

 
Diagnose / Tests

Zuerst muss der Allgemeinzustand beurteilt und stabilisierende Massnahmen und Analgesie eingeleitet werden. Begleitverletzungen sind häufig und können leicht übersehen werden. Eine adäquate Wundexploration und Wundversorgung ist wichtig, speziell für penetrierende Bissverletzungen in den Thorax, das Abdomen oder in Gelenke. Beim Sondieren der Wunde sollte die Gefahr der Keimverschleppung beachtet werden. Zusätzlich können verschiedenen bildgebenden Verfahren eingesetzt werden, um das Ausmass der Verletzung abzuschätzen.
 
Ob ein Abstrich einer Bissverletzung initial sinnvoll ist, ist fraglich. Tatsächlich konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden, dass bei den Bissverletzungen, bei denen es zu eine Infektion nach Erstversorgung kam, andere Bakterien nachgewiesen werden als initial nach dem Beissvorfall. In der Regel kommt es hier, insbesondere bei Patienten, die initial ein Antibiotikum erhalten haben und ähnlich wie bei den SSI, zur Selektion von Bakterien aus der ESKAPE Gruppe (Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus/pseudintermedius, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa, Enterobacter-Spezies). Aus diesem Grund soll ein Abstrich nur bei Wundinfektion nach initialer Therapie erfolgen.

 
Therapieleitlinien

Grundsätzliches

Therapeutisch stehen Wundreinigung, Debridement und Lavage im Vordergrund. Bei tiefen bzw. grossflächigen Bissverletzungen kann eine frühe (innerhalb von 6 - 8 Stunden) antibiotische Behandlung sinnvoll sein (siehe Tabelle), bevor das Resultat der Kultur und Antibiogramm vorliegt. Bei Anzeichen für Sepsis, schlechtem Allgemeinzustand, entzündlichem Leukogramm oder bei Gelenkbeteiligung ist eine Antibiotikagabe empfehlenswert.
 

Antibiotika

Tiefe/penetrierende Bissverletzung
Zu beachten Therapeutisch stehen Wundreinigung, Debridement und Lavage im Vordergrund.
Priorisierung/­Antibiotika Dosierung Behandlungs­dauer Bemerkungen
First line  
Ampicillin-Sulbactama
12,5 - 20 mg/kg 3 × tgl.
p.o. oder i.v.


30 mg/kg 3 × tgl. i.v.
7 - 10 Tage  
Cephalexin 20 - 30 mg/kg 2 - 3 × tgl. p.o.  
Second line  
Enrofloxacin Hund: 10 (-20) mg/kg 2 × tgl. 7 - 10 Tage Hohe Resistenzraten gegen Fluorchinolone, nur nach Antibiogramm.
Marbofloxacin 2 mg/kg 1 × tgl. p.o.
a Wird teils zur intravenösen Anwendung anstelle von Amoxicillin-Clavulansäure bei Hunden verwendet (s. Kapitel 1.12.1, Unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach intravenöser Anwendung von Amoxicillin + Clavulansäure). Die beiden Präparate unterscheiden sich primär bzgl. Pharmakokinetik, das Wirkspektrum ist für Amoxicillin und Ampicillin beinahe identisch. Für Clavulansäure und Sulbactam können aber Unterschiede im Wirkspektrum bei verschiedenen Betalaktamasen auftreten.

 

Resistenzlage

Gemäss Studien zeigen Amoxicillin/Clavulansäure und Cephalosporine der 1. und 2. Generation eine gute Wirksamkeit bei mehr als 85% der Isolate bei Bissverletzungen. Bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen der 3. Generation zeichnen sich zunehmend Resistenzen ab (weniger als 70 - 80% der isolierten Erreger waren empfindlich). Ausserdem gelten Fluorchinolone und 3. Generation Cephalosporine gemäss WHO als «Highest Priority Critically Important Antimicrobials». Aus diesen Gründen sollten diese Wirkstoffe nur gemäss Antibiogramm eingesetzt werden.
 
Studien über mehrere Jahre aus Deutschland haben einen stetigen Anstieg des Anteils resistenter Bakterien in Bissverletzungen gezeigt. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass bereits eine einmalige Antibiotikagabe wenige Stunden vor Erstversorgung und Beprobung bereits signifikant mit dem Auftreten resistenter Bakterien korreliert. Diese Daten unterstreichen, dass es auch bei Bissverletzungen unerlässlich ist, gut abzuwägen, ob eine Antibiotikatherapie indiziert ist.
 
Eine Antibiotikatherapie ohne vorherige chirurgische Revision ist hingegen nie sinnvoll, da durch die Bissverletzung ein Totraum gefüllt mit Blut und Serom-Flüssigkeit entsteht. Allenfalls ist auch zerrissenes Gewebe vorhanden. In dieser Umgebung (proteinreich, nicht durchblutet) können keine ausreichenden Wirkspiegel des Antibiotikums erreicht werden. Es muss zunächst immer eine saubere, gut perfundierte Situation geschaffen werden. Dies gelingt nur mit Debridement. Eine Antibiotikagabe ohne Debridement hingegen fördert die Bildung resistenter Bakterien durch suboptimale Anreicherung am Ort des Geschehens.

 
© {{ new Date().getFullYear() }} - Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie

Es kann keinerlei Haftung für Ansprüche übernommen werden, die aus dieser Webseite erwachsen könnten.