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Enzootische Bronchopneumonie

Wichtige Hinweise

(EBP - Kälbergrippe - Rindergrippe - undifferentiated respiratory disease - bovine respiratory disease)

Ökonomisch wichtigste respiratorische Faktorenerkrankung von Kälbern und Jungrindern

perakuter bis chronischer Verlauf vor allem im Alter zwischen 6 Wochen und 6 Monaten; teilweise auch schwere Verläufe und Tierverluste bei älteren Tieren (6 Monate bis 2 Jahre).
Infektionserreger werden bei der Mehrzahl der erkrankten Tiere nachgewiesen
    -primäre Virusinfektion
        -Bovines respiratorisches Synzytial-Virus (BRSV)
        -Parainfluenza-3-Virus
        -(seltener: respiratorische Coronaviren, Reoviren, Adenoviren)
    -i. d. R. bakterielle Sekundärinfektion
        -Pasteurella multocida
        -Mannheimia haemolytica
        -Histophilus somni
        -Mycoplasma bovis
Mischinfektionen sind häufig und haben meist einen schwereren klinischen Verlauf als Monoinfektionen.
Gleichzeitig sind abiotische Faktoren (Managementfehler) von ausschlaggebender Bedeutung:
    -ungenügende Kolostrumversorgung: Hypo- oder Agammaglobulinämie begünstigt Infektionen
    -schlechte Konstitution der Kälber aufgrund zu geringer Energieversorgung (restriktives Tränken), feuchter Einstreu und niedriger Umgebungstemperaturen
    -Transportstress: Belastung der Kälber durch Transport im Alter von 3 bis 6 Wochen (damit einhergehend u. U. Kältestress und fehlende Energieversorgung über Tränke)
    -Crowding: Zusammenführen von Kälbern aus vielen unterschiedlichen Betrieben auf Mastbetrieben
    -hohe Belegungsdichte der Ställe im Mastbetrieb: < 2 m2/Kalb, zu viele Kälber pro Gruppe bzw. Tränkeautomat, zu wenig Einstreu
    -Zu frühes Verstellen auf Mastbetriebe: Fehlen einer belastbaren spezifischen Immunität bei Umstallung
    -Ungünstige Stallklimabedingungen: ungenügende Zuführung von Frischluft bzw. zu geringe Luftaustauschrate (relative Luftfeuchtigkeit > 75 %, CO2 > 1`000 ppm, NH3 > 5 ppm)
    -Nicht adäquate Fütterung (Festfutter): Einsatz suboptimaler Beifuttermittel (Kälberaufzuchtfutter mit hohem Anteil pflanzlicher Proteinträger; feines Heu mit hohem Zuckeranteil).
 

Bedeutung

weltweit wichtigste respiratorische Erkrankung auf Mastbetrieben
auf Milchviehbetrieben und Mutterkuhbetrieben meist Ausdruck von Problemen im Zusammenhang mit Fütterung und Haltung
schwere Erkrankungen
    -verursachen hohe Kosten durch erhöhten Betreuungsaufwand, Behandlungskosten und erhebliche Wachstumseinbussen;
    -haben langfristige negative Konsequenzen für das spätere Leistungspotential der Tiere.
 
Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Krankheitsbild bei Kälbern

zunächst Absondern von Gruppe, vermehrtes Liegen
Epiphora (wässrige, tränende Augen), Husten, Fieber (> 39.5 °C), vermehrt seröser Nasenausfluss
Tachypnoe, inspiratorische Dyspnoe
auskultatorisch verschärfte helle Atemgeräusche im Bereich der Spitzenlappen
im weiteren Krankheitsverlauf gemischte Dyspnoe und mucopurulenter Nasenausfluss
im chronischen Stadium v.a. exspiratorische Dyspnoe als Ausdruck eines alveolären und interstitiellen Emphysems, Bruxismus, doppelschlägige Atmung, Abmagerung
 
Diagnose / Tests
klinische Untersuchung
    -Atemfrequenz (> 36 Atemzüge/min; aus der Distanz bestimmen)
    -Atemintensität (bei gesunden Tieren kann Atemfrequenz aufgrund nur geringer Auslenkungen der Bauchwand kaum ermittelt werden)
    -Atemzeitquotient (Verhältnis Inspiration zu Exspiration; sollte ca. 0.8:1 sein; verlängerte Exspiration mit Bauchpresse ist ein - prognostisch ungünstiger - Hinweis auf ein Emphysem)
    -Nasenausfluss
        -nach Virusinfektion i. d. R. nur vermehrt seröser Ausfluss
        -mucopurulent als Ausdruck einer bakteriellen Sekundärinfektion und eines deutlich gestörten Allgemeinbefindens (gesunde Tiere lecken Nasenlöcher mit Zunge sauber)
    -Auskultation
        -gesund: weiche, dunkle Geräusche (Luft wirkt schallschluckend)
        -helle und fauchende Geräusche als Ausdruck von Konsolidierungen
Sonographie
    -unkomplizierter Nachweis von Konsolidierungen bzw. subpleuralen Abszessen insbesondere im Bereich der Spitzenlappen
Röntgen
Erregernachweis möglichst aus Trachealspülprobe
    -PCR für Virusnachweis
    -kultureller Nachweis von Bakterien
 
Impfleitlinien

Impfung

Ein gehäuftes Auftreten von EBP ist i. d. R. auf systematische Fehler bei Kolostrum-Management, Fütterung und Haltung der Kälber zurückzuführen. EBP ist eine klassische Faktorenerkrankung - entsprechend kann Impfen als singuläre Massnahme ein Bestandesproblem nicht lösen. In einem Gesamtkonzept mit gleichzeitiger Einbeziehung der abiotischen Ursachen ist Impfen jedoch ein wertvolles Tool. In der Mehrzahl der publizierten Studien (experimentelle Studien ebenso wie Auswertungen von Anwendungen in der Praxis) sind bei geimpften Tieren verglichen mit ungeimpften Kälbern:

der Verlauf klinischer Erkrankungen milder,
die Virusausscheidung reduziert,
das Ausmass pathomorphologischer Veränderungen geringer,
die Antikörpertiter gegenüber dem Impfantigen höher
ausgeprägtere Zell-vermittelte Immunreaktionen nachweisbar.

 
Ein nachhaltiger Erfolg der Vakzination gegen EBP ist zu erwarten, wenn:

die Fütterungs-, Haltungs- und Hygienebedingungen im Umfeld der geimpften Tiere gut sind;
die Impfung prophylaktisch bei gesunden und immunkompetenten Tieren erfolgt - damit bietet sich für Mastkälber die Impfung auf dem Geburtsbetrieb an;
zwischen der Impfung und einer Belastungssituation (z. B. Umstallung) mindestens zwei Wochen liegen;
Interaktionen zwischen maternalen Antikörpern und dem Impf-Antigen vermieden werden - das ist zu erwarten bei der lokalen Anwendung (d. h. intranasal).

 
In der Praxis werden viele Kälber unmittelbar nach der Aufstallung auf dem Mastbetrieb geimpft. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass dieses Vorgehen vorteilhaft ist gegenüber dem Verzicht auf eine Impfung - optimal ist dies Prozedere jedoch eindeutig nicht. In einer Feldstudie von Kaske (2020) waren allenfalls marginale Effekte beim Vergleich mit ungeimpften Tieren nachweisbar. Die Erfolgsaussichten der Vakzination werden eingeschränkt durch:

die aktuelle Belastung der Kälber wegen Stress aufgrund des Transports und der Umstallung;
einen mehr oder weniger hohen Anteil geimpfter Tiere, die geschwächt sind und/oder sich bereits nach einer Infektion mit Felderregern in der Inkubationszeit befinden;
die zahlreichen Kontakte mit Kälbern aus anderen Betrieben mit einem unbekannten Erregerspektrum.

 
Sinnvoller wäre eine flächendeckende prophylaktische intranasale Impfung der Kälber bereits auf dem Geburtsbetrieb gegen BRSV und PI-3 in der zweiten Lebenswoche. Von einer belastbaren Immunität gegenüber diesen Erregern ist etwa zwei Wochen post vaccinationem auszugehen.
 
Verglichen mit inaktivierten Vakzinen induziert die Verabreichung von Lebendvakzinen:

eine ausgeprägtere Zell-vermittelte Immunantwort;
eine stärkere Aktivierung unspezifischer Immunmechanismen und lässt somit eine intensivere Aktivierung protektiver Mechanismen erwarten.
Gleichzeitig gilt, dass sich auch inaktivierte Vakzinen im Feld als nützlich erwiesen haben.
Auf Basis der vorliegenden Literatur lässt sich kein klar definierter Goldstandard für ein optimales Impfschema ableiten.

 
Grundsätzlich ist zu beachten:

die auf Mastbetrieben häufige metaphylaktische orale Antibiose kann die Immunreaktionen beeinflussen.
Impfdurchbrüche sind insbesondere bei geschwächten und/oder bereits mit Felderregern infizierten Tieren möglich, bei denen die Impfung somit post-expositionell und nicht prophylaktisch erfolgt.
die intranasale Applikation einer Lebendvakzine entspricht dem natürlichen Eintrittsweg des Erregers und ermöglicht es dem Impfwirkstoff, unmittelbar das respiratorische Epithel zu erreichen, das initial massgeblich an der Induktion einer adäquaten Immunantwort beteiligt ist.
eine Booster-Impfung ist i. d. R. für eine belastbare protektive Wirkung der Vakzination erforderlich.
eine Impfung hat auch Effekte auf die Immunantwort des Impflings auf andere Pathogene (sog. "off-target effects", "heterologer Effekt").
bei vielen lungenkranken Kälbern sind Mykoplasmen (insbesondere M. bovis) am Krankheitsgeschehen und den damit einhergehenden, nicht seltenen Otitiden primär oder sekundär beteiligt:
    - die kausale Therapie ist zunehmend durch Resistenzen erschwert (gegenüber Tetrazyklin, aber zunehmend auch gegenüber Florfenicol und Makroliden).
    - kommerzielle Impfstoffe gegen Mykoplasmen sind nicht verfügbar.

 
Treten in einem Bestand gehäuft Atemwegserkrankungen in den ersten beiden Lebenswochen auf, kann eine Muttertiervakzination mit inaktivierter Vakzine durchgeführt werden, und zwar 8 bzw. 4 Wochen ante partum.

Einhergehend mit der Vakzination ist immer die Überprüfung von abiotischen Risikofaktoren (Spurenelementversorgung, Tränkemenge, Infektionsdruck, Hygiene) erforderlich, denn gehäufte Erkrankungen an EBP sind für Kälber in den ersten Lebenswochen bei guten Umweltbedingungen selten.
Ebenso wie bei der Muttertiervakzination gegen neonatale Diarrhoe ist ein gutes Kolostrum-Management ausschlaggebend für den Erfolg einer Muttertiervakzination gegen EBP.

 

Situation in der Schweiz

Tabelle 4: Zugelassene Impfstoffe und Impfschema gegen EBP in der Schweiz.

Handelsname Antigen Impfstoff-typ Anwendung Vertrieb
Rispoval RS + PI3 IntraNasal Bovines respiratorisches Synzytialvirus (BRSV), Stamm 375
Bovines Parainfluenza 3 (PI3)-Virus, thermosensitiver Stamm RLB103
lebend 2 ml intranasal, mittels Applikator ab 2. Lebenswoche Zoetis Schweiz GmbH
Bovilis IntraNasal RSP Live Bovines respiratorisches Synzytialvirus (BRSV), Stamm Jencine-2013
Bovines Parainfluenza 3 (PI3)-Virus, Stamm INT2-2013
lebend 2 ml intranasal mittels Applikator ab einem Alter von 1 Woche MSD Animal Health GmbH
Bovalto Respi Intranasal Bovines respiratorisches Synzytialvirus (BRSV), Stamm-Bio 24/A
Bovines Parainfluenza 3 (PI3)-Virus, Stamm-Bio 23/A
lebend 2 ml intranasal mittels Applikator ab einem Alter von 10 Tagen; Volumen ist im mitgelieferten Applikator voreingestellt Boehringer Ingelheim (Schweiz) GmbH
Rispoval RS Bovines respiratorisches Synzytialvirus (BRSV), Stamm RB 94 lebend 2 ml, i. m., zweimal im Abstand von 3 Wochen als Booster Zoetis Schweiz GmbH
Bovilis Bovigrip Parainfluenza-3 Virus (PI3-Virus), Stamm SF-4 Reisinger)
Bovines respiratorisches Synzytialvirus (BRSV), Stamm EV908
Mannheimia haemolytica, Serotyp A1, Stamm M4/1
inaktiviert 5 ml, s. c., zweimal im Abstand von 4 Wochen ab der 2. Lebenswoche MSD Animal Health GmbH
Bovalto Respi 3 Bovines Respiratorisches Synzytialvirus (BRSV), Stamm BIO-24
Bovines Parainfluenza 3 (PI3) Virus, Stamm BIO-23
Mannheimia haemolytica, Serotyp 1A, Stamm DSM 5283
inaktiviert 2 ml, s. c., zweimal im Abstand von 3 Wochen ab der 3. Lebenswoche Boehringer Ingelheim (Schweiz) GmbH
NASYM Bovines Respiratorisches Synzytialvirus (BRSV)
Stamm Lym-56
lebend 2 ml;
Rinder ab einem Alter von 9 Tagen (intranasal und 2 Monate später intramuskulär);
Rinder ab einem Alter von 10 Wochen:
Intramuskulär und 4 Wochen später erneut intramuskulär
Dr. E. Graeub AG
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