Gramicidin war 1939 das erste klinisch getestete Antibiotikum (Van Epps 2006a). Diese Entdeckung hat bei Untersuchungen zur klinischen Anwendung anderer Wirkstoffe wie Penicillin mitgeholfen (Kelkar 2007a). Gramicidin D ist eine heterogene Mischung von linearen Polypeptidantibiotika (Sweetman 2008a), welche aus 6 Komponenten (A1, A2, B1, B2, C1, C2) besteht (Burkhart 1999b; Schracke 2005a; Thurbide 2005a). Der Komplex wurde erstmals zusammen mit Tyrocidin aus der Tyrothricin-Mischung, welche aus Bacillus brevis-Kulturen gewonnen wurde, isoliert (O'Neil 2001a). Dieser aerobe Keim kommt im Boden vor (Katz 1977a). Gramicidin D ist strukturell sowie funktionell mit dem zyklischen Gramicidin S nicht verwandt (Katz 1977a).
Die natürlich vorkommende Gramicidin D-Mischung enthält vornehmlich Gramicidin A (85%) (Katz 1977a). Bei den weniger reichlich vorhandenen Gramicidin B und C ist Tryptophan an der Stelle 11 durch Phenylalanin bzw. Tyrosin ersetzt (Gross 1965a; Kelkar 2007a). Weiterhin ist in 5 bis 20% der Moleküle Valin an der Stelle 1 durch Isoleucin (A2, B2 und C2) ersetzt, was 6 Isoformen ergibt (Gross 1965a; O'Neil 2001a; Kelkar 2007a; Schracke 2005a; Thurbide 2005a).
Im Handel erhältliche Präparate bestehen im Allgemeinen aus einer Mischung von Gramicidin A (A1 + A2), B (B1) und C (C1 + C2). Ihr jeweiliger Anteil entspricht ungefähr 87,5%, 7,1% und 5,1% (Gross 1965a); wobei Gramicidin A1 die Hauptkomponente ist (Sweetman 2008a). Die Summe der aromatischen Aminosäuren beträgt immer 4, und zwar 4 Tryptophan im Gramicidin A, 3 Tryptophan plus 1 Phenylalanin im Gramicidin B und 3 Tryptophan plus 1 Tyrosin im Gramicidin C (Gross 1965a).
Gramicidin A ist ein lineares Polypeptid (Wallace 1986a), welches aus 15 hydrophoben Aminosäuren (Takada 2008a; Veatch 1974a) mit folgender Zusammensetzung besteht: alternierend L- und D-Reste (Sarges 1964b; Burkhart 1999b) von Glycin, Alanin, Valin, Leucin, Tryptophan und zusätzlich Ethanolamin. Die N-endständigen sowie C-endständigen Gruppen sind z.B. durch Amidbindung zum Ethanolamin blockiert (Sarges 1965a). Gramicidin B besteht aus Glycin, Alanin, Valin, Leucin, Tyrosin, Tryptophan sowie Ethanolamin (Gross 1965a).
Lineares Gramicidin kann sehr unterschiedliche Konformationen annehmen. Wegen seiner alternierenden Sequenz von L- und D-Aminosäureresten bildet das Peptid Helixes vom ß-Typ mit einem Wasserstoffbrücken-Rückgrat ähnlich dem der ß-Faltblätter (Urry 1971b; Urry 1972b; Veatch 1974a). Gramicidin wird durch einen nicht-ribosomalen Multienzymkomplex synthetisiert und die Umwandlung der L- zu D-Aminosäuren findet während der Biosynthese statt (Kelkar 2007a).
Ein zusätzliches Gramicidin wurde aus einer im Handel erhältlichen Mischung von Gramicidin A, B und C isoliert; dieses wurde Gramicidin K genannt und kann in 2 Komponenten aufgeteilt werden: Gramicidin K-C, welches Tyrosin enthält und Gramicidin K-A, welches kein Tyrosin besitzt. Gramicidin K könnte auch als biosynthetischer Gramicidin A-Vorläufer fungieren, oder ausgehend vom Gramicidin A synthetisiert werden (Koeppe 1985a). Das Molekulargewicht des Gramicidin K beträgt 2'300 ± 130. Seine Aminosäuresequenz ist weitgehend unbekannt, aber Gramicidin K-A scheint eine ähnliche Aminosäurezusammensetzung aufzuweisen wie Gramicidin A, allerdings mit zusätzlichen chemischen Resten (etwa 400 Dalton), die dem Peptid zusätzliche hydrophobe Eigenschaften verleihen. Das Vorkommen von Gramicidin K wurde in-vivo noch nicht bestätigt (Koeppe 1985a).
Gramicidin D ist ein geruchloses, beinahe weisses, leicht hygroskopisches, kristallines Pulver (Sweetman 2008a), dessen Schmelzpunkt bei 229 - 230°C liegt (Belozersky 1944a; O'Neil 2001a). In Wasser ist der Wirkstoff kaum löslich (Lee 1996c) (0,6 mg/100 ml) und neigt dazu, eine kolloidale Suspension zu bilden (O'Neil 2001a). Gramicidin A und B sind stark lipophil. Dagegen ist Gramicidin C etwas weniger lipophil (Gross 1965a). Durch Zusetzen von Lysolecithin, Gangliosiden, Natriumdodecylsulfat, Octylglukosid sowie weiteren Detergentien kann Gramicidin in einen wasserlöslichen Zustand überführt werden (Wallace 1990b). In niederwertigen Alkoholen, Essigsäure sowie Pyridin ist das Antibiotikum löslich. Jedoch ist die Löslichkeit in Aceton sowie Dioxan mässig; in Äther und Kohlenwasserstoffen ist es beinahe unlöslich (O'Neil 2001a).
Übersicht der Gramicidin D-Komponenten:
Komponente
Summenformel
Molekulargewicht
Gramicidin A1
C99H140N20O17
1882
Gramicidin A2
C100H142N20O17
1896
Gramicidin B1
C97H139N19O17
1843
Gramicidin B2
C98H141N19O17
1857
Gramicidin C1
C97H139N19O18
1859
Gramicidin C2
C98H141N19O18
1873
Gramicidin B2 ist eine Verunreinigung des kommerziellen Produktes (EDQM 2005a).