2. Quellen
Aluminium- und Zinkphosphid werden als Fertigköder, als Paste, in Form von "Giftweizen" oder als Rauchpatronen zur Nager- und seltener zur Insektenbekämpfung angewendet.
3. Kinetik
Nach oraler Aufnahme kommt es unter Einfluss der Magensäure zur Bildung von Phophorwasserstoff (Phosphin). Sowohl dieses Gas als auch das ursprüngliche Aluminium- oder Zinkphophid werden im Magen resorbiert. Phosphorwasserstoff gelangt dann über die Blutbahn zu den Organen. Es findet keine bedeutende Resorption über die Haut statt.
4. Toxisches Prinzip
Aluminium- und Zinkphosphid reizen die Schleimhäute und verursachen Erbrechen.
Phosphide werden im Magen zu Phosphin zersetzt, das die eigentliche toxische Substanz ist. Phosphin ist ein zytotoxisches Gas, das vermutlich den Elektronentransport in den Mitochondrien durch Blockierung der Cytochromoxidase hemmt. Betroffen sind vor allem Gewebe, die wie Lunge, Gehirn, Nieren Herz und Leber einen hohen Sauerstoffgehalt aufweisen. Es bildet sich ein toxisches Lungenödem.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Huhn | Kaninchen |
Aluminiumphosphid | | | 60 | 200-300 |
Zinkphosphid | | 40.5-46.7 | | |
Phosphingas ist ab einer Konzentration von 50 ppm (70 mg/m
3) akut toxisch.
6. Umwelttoxikologie
Aufgrund von Sekundärvergiftungen durch die Aufnahme von Nagern, die Phosphide gefressen haben, sind vor allem Greifvögel einem potentiellen Risiko ausgesetzt.
Der MAK-Wert für Phosphin liegt bei 0.3 ppm (= 0.42 mg/m
3), dieses Gas wird von Menschen aber erst ab einer Konzentration von 1-3 ppm geruchlich wahrgenommen.
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Toxizität
Die orale LD
50 von Zinkphosphid liegt für Katzen und Hunde bei 20-40 mg/kg Körpergewicht; bei leerem Magen (keine Säureproduktion) überleben Hunde eine Dosis von bis zu 300 mg/kg (Casteel & Bailey, 1986; Knight, 2013).
2. Latenz
Die Latenzzeit nach Exposition dauert 15 Minuten bis 4 Stunden.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Zuerst Depression, Apathie, Ataxie, dann auch Unruhe, Erregung, Heulen, Herumrennen, Hyperthermie; bei schwerwiegender Vergiftung kommt es zu Festliegen und Koma |
|
3.2 | Nervensystem |
| Hyperästhesie, Tremor, Krämpfe |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Erbrechen, oft blutig |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Abdominalschmerz |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Dyspnoe, Polypnoe |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Kreislaufschwäche, Schock |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Zyanotische Schleimhäute |
|
3.11 | Blut und Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Die postmortalen Veränderungen sind nicht spezifisch ausgeprägt. Es lassen sich Hämorrhagien und Ödeme in den Lungen, sowie Degenerationen und Nekrosen in Leber, Niere und Herzmuskel finden. Ausserdem weist der Magen-Darm-Trakt Zeichen einer Gastroenteritis auf. Es fällt eine generelle Hyperämie der Organe auf.
5. Weiterführende Diagnostik
- | Der direkte Nachweis der Phosphide im Köder, Mageninhalt oder Erbrochenem mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie ist möglich: hierfür die Proben luftdicht verschliessen und einfrieren oder sofort analysieren, da sich die Phosphide zersetzen und Phosphingas flüchtig ist. |
- | Zur Diagnosesicherung kann auch der Aluminium- oder Zinkgehalt im Blut gemessen werden. Der Blutspiegel dieser Metalle ist aber bei Vergiftungen nicht zwingend erhöht. |
6. Differentialdiagnosen
- | Vergiftungen mit Arsenik, Blei, nichtsteroidalen Antiphlogistika, Metaldehyd, Strychnin, Amphetaminen, Carbamaten oder Organophosphaten |
- | Pankreatitis |
- | Diabetes |
- | Staupe |
- | Corona-Virus |
7. Therapie
7.2 | Dekontamination und Elimination |
- | Bei inhalatorischer Vergiftung Atemmaske anlegen, um den Patienten aus der Umgebung zu bringen! |
- | Emesis sollte induziert werden, sofern der Patient nicht schon erbrochen hat |
- | Eine Magenspülung mit 5%iger Natriumbicarbonatlösung ist sinnvoll, weil dadurch der pH im Magen erhöht und somit die hydrolytische Abspaltung von Phosphingas reduziert wird (Vorsicht: keine metabolische Alkalose induzieren!) |
- | Alternative zur Magenspülung mit Natriumbicarbonat: Verabreichung von Aluminiumhydroxid 4-6mal täglich |
- | Sofern guter Schluckreflex: wiederholte Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml) |
7.3 | Forcierte renale Elimination |
- | Mittels Diurese, ist auch als Prophylaxe einer Niereninsuffizienz sinnvoll |
7.4 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Aufhebung der Azidose: Ringerlaktatinfusion oder Bicarbonat |
- | Schutz der Magenschleimhaut: Cimetidin, Omeprazol, Misoprostol und Sucralfat |
- | Behandlung der Kolik mit einem Spasmolytikum/Analgetikum |
- | Regulierung der Körpertemperatur: Behandlung der Hyperthermie |
- | Behandlung des toxischen Lungenödems mit einem Diuretikum und Glucocorticoiden |
8. Fallbeispiele
8.1 | Ein Spaniel hat eine in der Nähe eines Getreidesilos gefundene Ratte gefressen. |
| Symptome wenige Stunden später: Hyperkinesie, steife Extensoren, Zähneklappern |
| Therapie: Pentobarbitalnarkose |
| Verlauf: Der Hund stirbt |
| (Casteel and Bailey, 1986). |
|
8.2 | Ein Deutscher Schäferhund (1 Jahr) streunte mehrere Stunden allein in der Nähe von Getreidesilos herum. |
| Symptome: Konvulsionen, Tremor, Extensorensteifheit |
| Therapie: Keine |
| Verlauf: Kurze Phase der Erholung, dann rennt der Hund jaulend in eine Gebäudewand und stirbt bald danach |
| (Casteel und Bailey, 1986). |
|
8.3 | Ein Deutscher Schäferhund wird dem Tierarzt vorgestellt. |
| Symptome: Tremor, Konvulsionen, Hyperthermie (41°C), strenger Geruch nach Knoblauch |
| Therapie: Barbiturate |
| Verlauf: Der Hund stirbt nach 5 Stunden |
| (Casteel und Bailey, 1986). |
9. Literatur
Beasley VR, Racke KD & Leslie AR (1993) Pesticides and pets. Pesticides in urban environments: fate and significance, Am Chem Soc, 344-351
Casteel SW & Bailey EM (1986) A review of zinc phosphide poisoning. Vet Hum Toxicol 28, 151-154
Dorman DC (1990) Toxicology of selected pesticides, drugs, and chemicals. Anticoagulant, cholecalciferol, and bromethalin-based rodenticides. Small Anim Pract 20, 339-352
Ellenhorn MJ (1997) Medical Toxicology, Williams & Wilkins, Baltimore, p 1658
Guale FG, Stair EL, Johnson BW, Edwards WC & Haliburton JC (1994) Laboratory diagnosis of zinc phosphide poisoning. Vet Hum Toxicol 36, 517-519
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Bailliere Tindall, pp 76-78
Knight MW (2013) Zinc Phosphide. In: Small Animal Toxicology, Third Edition. Eds: ME Peterson & PA Talcott, Elsevier Saunders, St. Louis USA, pp. 853-864
Talcott PA & Dorman DC (1997) Pesticide exposures in companion animals. Vet Med 92, 167-181
Murphy MJ (1994) Toxin exposures in dogs and cats: pesticides and biotoxins. J Am Vet Med Assoc 205, 414-421
Ram R, Ghouse M & Rao DS (1993) Therapy of experimental zinc phosphide poisoning in canines. Ind J Vet Med 13, 85
Rodenburg HD, Chang CC & Watson WA (1989) Zinc phosphide ingestion: A case report and review. Vet Hum Toxicol 31, 559-562
Stowe CM, Nelson R, Werdin R, Fangmann G, Fredrick P, Weaver G & Arendt TD (1978) Zinc phosphide poisoning in dogs. J Am Vet Med Assoc 173, 270
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey