2. Quellen
Medizinisch-therapeutisch wird Kokain vor allem als Lokalanästhetikum eingesetzt.
Seine grössere Verbreitung findet es aber in der missbräuchlichen Anwendung. Das illegal auf dem Schwarzmarkt erhältliche Kokain (umgangssprachlich: "Koks") ist in den meisten Fällen eine Mischung mit Amphetaminen, Coffein, Chinin, anderen Lokalanästhetika, Zucker, Strychnin, Borsäure, Heroin, Talkum oder Magnesiumsulfat.
Die Stoffbezeichnungen auf dem Schwarzhandel lauten wie folgt: "Bernies", "Blow", "C", "Coke", "Crack", "Flake", "Girl", "Gold dust", "Her", "Leaf", "Nose candy", "Rock", "Star dust", "Snow", "White girl" oder "White lady".
Kokain- oder Kokapaste ist der Extrakt aus den Blättern der Kokapflanze; die Paste enthält zu 40-70% Kokain und wird mit Tabak oder Marihuana vermischt.
3. Kinetik
Die Bioverfügbarkeit des Kokain differiert stark in Abhängigkeit von der Art der Aufnahme; nach Inhalation über die Nasenschleimhaut beträgt sie 60%, inhalatorisch über die Lunge liegt die Bioverfügbarkeit bei 30-40%. Die gastrointestinale Verfügbarkeit beträgt ebenfalls 30-40%. Eine Entzündung oder Irritation der Schleimhautoberfläche erhöht die Resorptionsrate. Die maximalen Plasmaspiegel werden innerhalb von Minuten erreicht. Nach der Resorption überwindet Kokain die Blut-Hirn-Schranke. Die Substanz wird von Esterasen im Plasma abgebaut und in der Leber demethyliert, wobei die Metaboliten über die Nieren eliminiert werden. Die Plasmahalbwertzeiten liegen bei 1-2 Stunden. Weniger als 10-20% des aufgenommenen Kokains verlässt den Organismus unverändert.
4. Toxisches Prinzip
Kokain hemmt an der präsynaptischen Membran die Wiederaufnahme von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, indem es den membranständigen Transporter für Katecholamine besetzt. Dadurch kommt es zur Stimulation des ZNS und zur Konstriktion der Blutgefässe. In höheren Dosierungen, die systemisch aber nicht oder nur schwerlich zu erreichen sind, hemmt Kokain die Na
+-Kanäle und verhindert so die Reizleitung, weswegen es als Lokalanästetikum eingesetzt wird. Des weiteren besitzt Kokain kardiotoxische Eigenschaften, indem es eine Rhabdomyolyse des Myokards induziert.
5. Toxizität bei Labortieren
Die akute orale LD
50 von Kokain ist für die Maus 99 mg/kg Körpergewicht.
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Toxizität
Orale Toxizitätsdaten für Kleintiere fehlen. Bei intravenöser Verabreichung ist die LD
50 von Kokain beim Hund 13 mg/kg Körpergewicht.
2. Latenz
Die Zeit bis zum Auftreten der Symptome ist abhängig vom Füllungszustand des Magens. Bei leerem Magen beginnt die Symptomatik nach wenigen Minuten.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Hyperaktivität, Ataxie, Hyperthermie; Kreislaufschock infolge Herzstillstand |
|
3.2 | Nervensystem |
| Tremor, Krämpfe |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Erbrechen, Hypersalivation |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Tachypnoe, Tod durch Atemstillstand |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Tachykardie, Hypertonie, Tachyarrhythmie, Tod durch Herzstillstand |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Hypertonie der Muskulatur |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Mydriasis |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Keine Symptome |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome. |
4. Sektionsbefunde
Vergiftungen mit Kokain verursachen nur unspezifische Veränderungen am Tierkörper. Die Myokardzellen sind degeneriert, die Koronararterien befinden sich im Zustand der Konstriktion.
5. Weiterführende Diagnostik
- | Direkter Nachweis per Immunoassay oder Dünnschicht- beziehungsweise Gaschromatographie/Massenspektrometrie in Plasma, Urin oder Mageninhalt; der Nachweis in Speichel und Haaren ist möglich. |
- | Aufzeichnung der Herzarrhythmien |
6. Differentialdiagnosen
- | Epilepsie |
- | Fieberhafte Erkrankungen |
- | Atemwegsinfektion |
- | Stenose der Atemwege |
- | Herzkreislauf-Insuffizienz |
- | Andere Vergiftungen: Amphetamine, Methylxynthine, Metaldehyd, Pyrethroide, Organophosphate, Carbamate, chlorierte cyklische Kohlenwasserstoffe, Blei. |
7. Therapie
7.2 | Dekontamination und Elimination |
- | Sorgfältiges Waschen der Haut und Schleimhäute |
- | Endoskopische oder chirurgische Entfernung von verschluckten Plastikbeuteln oder Kondomen, die Rauschgift enthalten könnten |
- | Das Auslösen von Emesis ist wegen der raschen Resorption meist erfolglos |
- | Sofern guter Schluckreflex: Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml) |
7.3 | Forcierte renale Elimination |
7.4 | Weitere symptomatische Massnahmen |
8. Fallbeispiele
8.1 | Ein Catahoula-Rüde (19 Monate) frisst Kokain in unbekannter Menge. |
| Symptome: Krampfanfälle, Hyperthermie |
| Therapie: Symptomatische Massnahmen |
| Verlauf: Der Hund stirbt innerhalb von 2 Stunden |
| Pathologie: Erosive Gastritis, Lungenödem, Degeneration des Herzmuskels, Konstriktion der Koronargefässe |
| Untersuchung des Mageninhaltes mittels Dünnschichtchromatographie: Nachweis von Kokain |
| Der Hundehalter wurde wegen illegalen Drogenbesitzes verhaftet |
| (Frazier et al., 1998). |
9. Literatur
Abel FL, Wilson SP & Zhao RR (1989) Cocaine depresses the canine myocardium. Circul Shock 28, 309-318
Ambre J, Fischmann M & Ruo TI (1984) Urinary excretion of egconin methyl ester, a major metabolite of cocaine in humans. J Anal Toxicol 8, 23-25
Barke A (1936) Nachprüfung der Toxizität von Novocain und Tutocain bei chloralisierten Tieren. Dissertation am Parmakologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule, Hannover
Bailey DN (1989) Drug screening in an unconventional matrix: hair analysis. J Am Med Assoc 262, 3331
Catravas JD & Waters IW (1981) Acute cocaine intoxication in the conscious dog: Studies on the mechanism of lethality. J Pharmacol Exp Ther 217, 350-356
Dumonceaux GA & Beasley VR (1990) Emergency treatment for police dogs used for illicit drug detection. J Am Vet Med Assoc 197, 185-187
Ellenhorn MJ (1997) Medical Toxicology, 2nd edition, Williams & Wilkins, Baltimore, pp 356-380
Frazier K, Colvin B & Hullinger G (1998) Postmortem diagnosis of accidental cocaine intoxication in a dog. Vet Hum Toxicol 40, 154-155
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of Small Animal Toxicology and Poisonings, Mosby, St. Louis, pp 134-137
Kabas JS, Blanchard SM & Matsuyama Y (1990) Cocaine-mediated impairment of cardiac conduction in the dog: A potential mechanism for sudden death after cocain. J Pharmacol Exp Ther 252, 185
Williams RG, Kavanagh KM & Teo KK (1996) Pathophysiology and treatment of cocaine toxicity: Implications for the heart and cardiovascular system. Can J Cardiol 12, 1295
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey