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Opiate

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Unter dem Begriff "Opiate" versteht man Morphin, seine halbsynthetischen Derivate (zum Beispiel Hydromorphon, Pentazocin) und seine vollsynthetischen Derivate (zum Beispiel Pethidin, Methadon, Fentanyl).
Die Opiate sind von chemisch unterschiedlicher Struktur mit der Gemeinsamkeit, dass die pKa-Werte aller Verbindungen bei 8-10 liegen. Ferner besitzen alle Opiate einen Benzolrest, der oftmals in ein komplexes Ringsystem eingebettet ist.
Morphin liegt als weisses, feinkristallines Pulver vor.
Weitere Vertreter sind: Alfentanil, Anileridin, Buprenorphin, Butorphanol, Codein (Methylmorphin), Dextromethorphan, Diamorphin (Heroin), Dihydrocodein, Diphenoxylat, Etorphin, Hydrocodon, Hydromorphon, Levomethadon, Levorphanol, Loperamid, Meperidin, Nalorphin, Oxycodon, Oxymorphon, Nalbuphin, Propoxyphen, Sufentanil, Tramadol, Thebain (Dimethylmorphin), Tilidin.
 

2. Quellen

Opium ist der aus den Samenkapseln des Schlafmohns Papaver somniferum gewonnene und an der Luft getrocknete Saft der Pflanze. Die Flüssigkeit enthält 25 verschiedene Alkaloide. Die Opium-Trockenmasse enthält 12% Morphin, die andere Opiate kommen in geringeren Mengen vor. Opium kann als Pulver oder als Tinktur verabreicht werden.
Eine weitere Quelle für Opiate sind Medikamente, hier besonders Analgetika, Antitussiva und Antidiarrhoika.
Wichtig für die Toxikologie ist die Verbreitung der Opiate als illegale Drogen auf dem Schwarzmarkt, hierbei handelt es sich besonders um Heroin.
 

3. Kinetik

Die Opiate werden über den Magen-Darm-Trakt resorbiert und rasch metabolisiert. Das Glukuronidid ist die wichtigste Ausscheidungsform. Die Ausscheidung erfolgt über den Urin.
Bei den meisten Substanzen liegen die Halbwertzeiten bei 2-5 Stunden; einige aktive Metaboliten besitzen längere Halbwertzeiten.
Eine Speicherung im Organismus findet nicht statt.
Folgende Morphinderivate passieren die Blut-Hirn-Schranke nicht oder nur in geringem Umfang: Diphenoxylat, Difenoxin, Loparamid.
 

4. Toxikologisches Prinzip

Opiate binden an Opioidrezeptoren, wovon verschiedene Typen existieren: μ, δ, κ und σ. Diese Rezeptoren befinden sich unter anderem im ZNS, im vegetativen Nervensystem und im Gastrointestinaltrakt. Lebensbedrohend ist eine Lähmung des Atemzentrums und die Unterdrückung des Hustenreflexes.
Die Antagonisten, die die rezeptorvermittelte Opoidwirkung aufheben, sind: Diprenorphin, Levallorphan, Nalorphin, Naloxon, Naltrexon und Nalmefen.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatte
Buprenorphin260 
Codein250427
Fentanyl36818
Meperidin200162
Methadon7086
Morphin524335
Nalorphin1'140 
Pentazocin3051'110
Pethidin200162
Propoxyphen270990
Tramadol 228
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Orale Toxizitätsdaten fehlen weitgehend.
Die minimal letale Dosis von Morphin ist 210 mg/kg s.c. beim Hund und 40 mg/kg s.c. bei der Katze.
Die minimal letale Dosis von Heroin ist 25 mg/kg s.c. beim Hund und 20 mg/kg p.o. bei der Katze.
Die minimal letale Dosis von Methadon ist 26 mg/kg i.v. beim Hund.
Die LD50 von Morphin beträgt 133 mg/kg i.v. beim Hund.
Die LD50 von Codein beträgt 69 mg/kg i.v. beim Hund.
 

2. Latenz

Die Opiatvergiftung hat einen akuten Verlauf.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Anfangs Benommenheit, Apathie, Ataxie, später Koma, Narkose; bei Katzen eher Unruhe, Erregung
  
3.2Nervensystem
Tremor, Konvulsionen; Hinterhandsparese
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen, Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Tenesmus, Ileus, Konstipation
  
3.5Respirationstrakt
Bradypnoe, Atemdepression, Atemstillstand; Lungenödem
  
3.6Herz, Kreislauf
Hypotonie
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Miosis, bei Katzen Mydriasis; Hunde zeigen im späteren Stadium der Hypoxie auch Mydriasis
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Zyanotische Schleimhäute
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Die Sektionsbefunde sind nicht aussagekräftig.
 

5. Weiterführende Diagnostik

Für den Nachweis von Opiaten werden meistens Urinproben verwendet. Daneben können Opiate auch im Serum oder Erbrochenen nachgewiesen werden. Letztere Analysen werden jedoch nicht von allen Laboratorien durchgeführt. Methoden: Immunoassay, Gaschromatographie.
 

6. Differentialdiagnosen

-Koma- oder Schockzustand anderer Genese
-Enzephalopathien
-Vergiftung mit Barbituraten, Benzodiazepinen, Alkohol, Ethylenglycol, Methanol, Marijuana, Amitraz, Ivermectin
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Atmung stabilisieren
-Kreislauf stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination
-Sofern guter Schluckreflex: wiederholte Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml).
 
7.3Antidottherapie
-Naloxon: 0.04 mg/kg i.v. (rasche Wirkung), i.m. oder s.c.; die intravenöse Verabreichung kann innerhalb von 2-3 Minuten wiederholt werden, bis der gewünschte Effekt (Aufhebung der Atemdepression) eingetreten ist.
Da die Halbwertzeit von Naloxon (beim Hund 70 Minuten) kürzer ist als die des Opiats, muss die Dosis wiederholt gegeben werden.
-Alternativ kann ein Naloxon-Nasenspray (z.B. Nyxoid® 1.8 mg, 1 ganzer Spray/Hund) verwendet werden: es können alle 10 Minuten 2 ganze Sprays (bzw. 4 mg/Tier) intranasal verabreicht werden, bis eine Wirkung eintritt (Essler et al., 2019; Hovda, et al., 2023; Wahler et al., 2019).
 

8. Fallbeispiele

8.1Zwei Welpen haben wild wachsenden Schlafmohn aufgenommen.
Symptome: Verschiedene Störungen des Nervensystems
Therapie: Keine
Verlauf: Der eine Welpe ist nach einem Tag wieder gesund, bei dem anderen dauert es 1-2 Wochen bis zur Genesung
(Odendaal, 1986).
 

9. Literatur

Baussant P, Burgat-Sacaze V & Fabre M (1987) Intoxications medicamenteuses chez les carnivores. Experience d'un centre antipoison. Revue Med Vet 138, 975-980
 
Brune K (1999) Analgetika-Antiphlogistika-Antirheumatika. In: Pharmakologie und Toxikologie. (Estler C-J, ed), Schattauer, Stuttgart, pp 241-250
 
Dumonceaux GA & Beasley VR (1990) Emergency treatment for police dogs used for illicit drug detection. J Am Vet Med Ass 197, 185-187
 
Ellenhorn MJ (1997) Medical Toxicology, 2nd edition, Williams & Wilkins, Baltimore, pp 405-446
 
Essler JL, Smith PG, Berger D, Gregorio E, Pennington MR, McGuire A, Furton KG & Otto CM (2019) A randomized cross-over trial comparing the effect of intramuscular versus intranasal naloxone reversal of intravenous fentanyl on odor detection in working dogs. Animals (Basel) 9, 385-395
 
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of small animal toxicology and poisonings. Mosby, St. Louis, pp 238-240
 
Hovda LR, Brutlag AG, Poppenga RH & Epstein SE (2024) Blackwell's five-minute veterinary consult clinical companion: small animal toxicology, 3rd edition. Wiley Blackwell, pp. 193-200
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillere Tindall, p 90
 
Kintz P, Mangen P, Lugnier AA & Chument AJ (1989) Toxicological data after heroin overdose. Hum Toxicol 8, 587-589
 
Morenson HC & Coraccio TC (1987) Continous infusion of i.v. naloxone. Am Emerg Med 16, 600
 
Odendaal JSJ (1986) Suspected opium poppy poisoning in two young dogs. J South Afric Vet Ass 57, 113-114
 
Pizon AF & Brooks DE (2004) Fentanyl patch abuse: Naloxone complications and extracorporeal membrane oxygenation rescue. Hum Toxicol 5, 256-257
 
Wahler BM, Lerche P, Ricco Pereira CH, Bednarski RM, KuKanich B, Lakritz J & Aarnes TK (2019) Pharmacokinetics and pharmacodynamics of intranasal and intravenous naloxone hydrochloride administration in healthy dogs. Am J Vet Res. 80(7), 696-701
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