2. Quellen
Akute Kupfervergiftungen resultieren meistens aus der irrtümlichen oralen Aufnahme kupferhaltiger Pestizide (Fungizide, Molluskizide) oder Arzneimittel (zum Beispiel Kupfervitriol zur Klauenbehandlung). Chronische Vergiftungen entstehen wegen Kontamination des Futters oder Wassers durch industrielle Emissionen oder wegen zu hoher Kupferzusätze in Milchaustauscher oder Futtergemischen. Kupfer-Molybdän-Imbalanzen in Fertigfutter oder Mineralstoffgemischen können ebenfalls zu Vergiftungserscheinungen führen. Metallisches Kupfer ist auf Grund minimaler Löslichkeit ungiftig.
3. Kinetik
Kupfer wird vorwiegend intestinal resorbiert. Die Aufnahme in die Enterozyten wird primär durch den Kupfertransporter 1 (CTR1) vermittelt. Der Kupfertransporter ATP7A, lokalisiert in der Enterozyten-Basalmebran, erleichtert den Transport in den Portalkreislauf. Die intestinale Resorptionsrate ist relativ hoch (orale Bioverfügbarkeit bis 50%), wird jedoch von der Konzentration anderer Elemente beeinflusst. Je höher der Calciumgehalt im Futter, desto weniger Kupfer wird resorbiert. Auch Molybdän, Phosphate oder Sulfate vermindern die orale Bioverfügbarkeit von Kupfer. Im Portalblut wird Kupfer vorwiegend an Albumin gebunden und dann mittels des apikal lokalisierten CTR1 ins hepatozelluläre Zytosol gebracht, wo es sofort an Metallothionein und Glutathion gebunden und gespeichert wird, um oxidative Schäden zu verhindern. Spezielle Begleiter-Proteine (Kupfer-Chaperone) bringen das Kupfer zu ihren Zielmolekülen. Cyclooxygenase 17 (COX17) ist das Kupfer-Chaperon für die Cytochrom C-Oxidase (CCO). Diese befindet sich in der inneren Mitochondrienmembran und spielt als terminales Enzym in der mitochondrialen Atmungskette eine entscheidende Rolle im aeroben Energiestoffwechsel. Auch die Superoxiddismutase (SOD1), ein wichtiges Protein zur Abwehr von oxidativem Stress, wird beliefert. Das Kupfer-Chaperon des Antioxidans 1 (ATOX1) beliefert die ATPasen ATP7A und ATP7B, im Trans-Golgi-Netzwerk (TGN). Steigt die intrazelluläre Kupferkonzentration, werden von der ATP7B 6 Kupferatome auf die Ferroxidase Ceruloplasmin (CP, Hauptkupfertransporter im Blut) geladen und dadurch in den Kreislauf abgegeben. Bei stark erhöhten Werten schleust ATP7B das überschüssige Kupfer auch in die Galle. Das
Copper Metabolism Domain Containing 1 (COMMD1)-Protein erleichtert die biliäre Kupfer-Sekretion. Zudem spielt es eine Rolle bei der Funktion von ATP7A und ATP7B. Beim Bedlington Terrier mit der autosomal rezessiven Kupferspeicherkrankheit besteht eine Deletion im zweiten Exon des COMMD1-Gens (Nachweisbar mit einem Gen-Test). Bei der non-COMMD1 Kupferspeicherkrankheit wurde eine Variation des Metalltransporters ABCA12 gefunden. Labrador Retriever mit einer Kupferspeicherkrankheit zeigen eine Mutation im Gen ATP7B, dem "Wilson-Gen". Besteht eine zusätzliche Mutation im Gen ATP7A (Menkes-Syndrom), wird die Kupferspeicherung abgeschwächt, ohne einen klinisch apparenten Kupfermangel zu verursachen. Die Kupfer-Ausscheidung erfolgt grössten Teils enteral mit der Galle und nur zu kleinen Teilen mit dem Harn und der Milch.
4. Toxisches Prinzip
4.1 | Kupferstaub reizt die Schleimhäute des Respirationstraktes. |
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4.2 | Viele Kupfersalze haben eine starke Ätzwirkung und bewirken nach oraler Aufnahme reflektorisches Erbrechen und Durchfall. |
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4.3 | Chronische Kupfervergiftungen gehen beim Schaf mit fortschreitender Kupferakkumulation in der Leber einher. Nach Überschreiten der Speicherkapazität der Leber wird schlagartig eine grosse Menge von Kupfer ins Blut freigesetzt, was zu Methämoglobinbildung, Hämolyse und Gefässschädigung führt. Diese plötzliche Entspeicherung der Leber (hämolytische Krise) wird beim Schaf durch Stresssituationen wie Transport, Schur, Unruhe oder Hunger ausgelöst. Einen wichtigen Beitrag zum toxischen Wirkmechanismus liefert die durch Kupferionen vermittelte Bildung von Sauerstoffradikalen. |
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4.4 | Eine Sonderform der Kupfervergiftung stellt die bei einigen Hunderassen (z.B. Bedlington-Terrier, Labrador Retriever, Dobermannpinscher, Sky Terrier, Anatolischer Hirtenhund, Welsh Corgi Pembroke, Spaniel, West Highland White Terrier und Dalmatiner) verbreitete, erblich bedingte Kupferspeicherkrankheit dar. Dabei kommt es trotz normaler Kupferaufnahme zu einer fortschreitenden Kupferakkumulation in der Leber und damit verbundenen oxidativen Schädigung. Diese führt zuerst einer Hepatitis mit zentrolobulärer Entzündung und Leberzellnekrose. Später kommt es zu einer akuten oder perakuten hämolytischen Anämie mit Ikterus oder die Akkumulation resultiert in einer Leberzirrhose. |
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Kupferacetat | | 710 | | |
Kupfer(II)carbonat | | 159 | | |
Kupfer(I)chlorid | | 140 | | |
Kupfernitrat | | 940 | | |
Kupfer(I)oxid | | 470 | | |
Kupferoxychlorid | | 700-1'440 | | |
Kupfersulfat | 50 | 300 | | 693 |
Kupfervitriol (Kupfersulfat-Pentahydrat) | | 960 | | |
Usol Kupfergrün | 6'400-7'200 | 110 | | |
II. Spezielle Toxikologie - Schwein
1. Toxizität
Toxische Effekte werden entweder durch einmalige Verabreichung sehr hoher Kupfermengen (Letaldosis 500 ppm) oder durch repetitive Dosen ausgelöst: Die Gesetzlichen Grenzwerte in Deutschland sind 175 ppm im Alleinfutter für Tiere, die noch nicht 16 Wochen alt sind, 35 ppm für ältere Tiere.
Die Toxizität hängt ausserdem von seiner Verbindung ab. So haben Kupfersulfat, -zitrat, -methionat, und -karbonat eine hohe Verfügbarkeit und werden deshalb in hohem Masse resorbiert, wohingegen Kupferoxid und -sulfid nur in geringem Mass resorbiert werden.
2. Latenz
Dosisabhängig, meist einige Tage.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Anfangs normal, später Apathie, Anorexie, Durst, Inkoordination, Schwanken in der Hinterhand |
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3.2 | Nervensystem |
| Bei fortgeschrittener Intoxikation: Muskeltremor und Muskelschwäche |
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3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Erbrechen |
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3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Dunkler/Schwarzer Kot, bei chronischer Intoxikation oft zuerst olivfarbener Kot |
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3.5 | Respirationstrakt |
| Terminal Dyspnoe |
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3.6 | Herz, Kreislauf |
| Terminal Tachykardie |
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3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
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3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
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3.9 | Harntrakt |
| Hämoglobinurie |
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3.10 | Haut, Schleimhäute |
| Blässe, Ikterus |
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3.11 | Blut, Blutbildung |
| Anämie |
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3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Generalisierter Ikterus, blasses, anämisches Aussehen des Tierkörpers, Magenulcera und Magen- und Darmblutungen sind typische Sektionsbefunde. Histologisch ist der Nachweis von Leberzellnekrosen und intrazellulärem Kupfer hilfreich.
5. Weiterführende Diagnostik
5.1 | Blutuntersuchung |
| Nachweis einer mikrozytären, hypochromen Anämie. |
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5.2 | Toxinnachweis im Gewebe |
| Werte ab 3mg Cu/l Blut, ab 250 ppm in der Leber (Feuchtsubstanz) und 60 ppm in der Niere (Feuchtsubstanz) sind als Hinweis auf eine Intoxikation anzusehen. |
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5.3 | Toxinnachweis im Futter |
| Auf mögliche Entmischungen achten. Besonders ungenügend zerkleinerte Kupfersulfatkristalle können in konzentrierter Form wegen ihrer ätzenden Wirkung zu Magenschleimhautveränderungen führen. |
6. Differentialdiagnosen
Anämie und Ikterus als Folge von Eisenmangelanämie, primären Magengeschwüren, Eperythrozoonose, Aflatoxinvergiftung, Vergiftung mit Couumarinderivaten, Vitamin E-Mangel oder Leptospirose.
6.1 | Erbrechen |
| Viral, bakteriell, diätetisch, Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper, Vitaminmangel (Riboflavin, Thiamin), andere Intoxikationen (Aflatoxine, Amitraz, anorganische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, Cadmium, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fusarientoxine, Fluor, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Stachybotryotoxin, Stickstoffdioxid). |
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6.2 | Blutige oder schwarze Faeces |
| Verletzungen im Rektal- oder Analbereich, massiver Befall mit Peitschenwürmern, Erkrankungen, die zu Blutverlust im Gastrointestinaltrakt führen, wie Magengeschwüre, Bezoare, Darminfektionen mit Lawsonia intrazellularis, Brachyspira pilosicoli, andere Intoxikationen (Aflatoxine, anorganische Arsenverbindungen, Blei, Cadmium, Couumarinderivate, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Fusarientoxine, Metaldehyd). |
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6.3 | Pigmenturie |
| Harnwegsinfektionen, andere Intoxikationen (Cumarinderivate, Ionophore) |
7. Therapie
7.1 | Trinkwasser ad libitum |
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7.2 | Futterwechsel auf ein unsupplementiertes, unbedenkliches Futter |
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7.3 | Prophylaxe |
| Als vorbeugende Massnahme gegen weitere Vergiftungsfälle, sollte der Mineralstoffgehalt des Futters überprüft werden. So scheinen hohe Eisen - (ab 150 ppm) und hohe Zinkgehalte (ab 500 ppm) sowie ein hoher Gehalt an pflanzlichen Proteinen einen gewissen Schutz vor Intoxikationen zu bieten. Tiefer Proteingehalt (weniger als 15 %), hohe Calciumgehalte und tiefe Zink- und Eisengehalte erhöhen das Risiko von Intoxikationen. |
8. Fallbeispiele
8.1 | Wenige Tage nach dem Beginn des Einsatzes einer neuen Charge eines pelletierten Ferkelfutters traten bei Saug- und Absetzferkeln deutlich verminderte Futteraufnahme, schwarzer Kot mit teilweise wässriger Konsistenz, blasses Aussehen, struppiges Borstenkleid und träges Verhalten bei physiologischer Körpertemperatur auf. Untersuchungen auf Mykotoxine und das Vorhandensein von geschmacklich nachteiligen botanischen Komponenten waren negativ. Stereomikroskopisch konnten in 160 facher Vergrösserung auffällige türkisfarbene Partikel bei denen es sich um Kupfersulfatkristalle handelte, nachgewiesen werden. Der Kupfergehalt im Futter war mit 860 ppm sowohl massiv über den gesetzlichen Grenzwerten, als auch über dem auf der Verpackung deklarierten Wert von 160 ppm. Nach Futterumstellung verbesserten sich Appetit, Allgemeinbefinden und Kotbeschaffenheit innerhalb weniger Tage (Zentek et al., 1999). |
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8.2 | In einem kombinierten Zucht- und Mastbetrieb starben während eines halben Jahres 90 Mastjager. Die betroffenen Tiere zeigten verminderten Appetit, zunehmende Apathie und Anämie. Während des letzten Lebenstages zeigten die betroffenen Schweine Gangschwierigkeiten und verweigerten das Futter. Der Tod trat meist etwa zwei Wochen nach dem ersten Auftreten von Symptomen, gelegentlich aber auch schon nach wenigen Tagen ein. Sektionsbefunde waren Magengeschwüre, Blut in den Faeces und gelbe bis orangfarbene, zirrhotische Lebern. Eine Bestimmung der Kupfergehalte ergab Werte von 2500 und 2600 ppm in der Leber (Trockensubstanz) und 450 und 800 ppm in den Nieren (Trockensubstanz) bei zwei gestorbenen Tieren. Eine Bestimmung des Kupfergehaltes in vier verschiedenen Futterproben ergab Gehalte von 242 ppm, 162 ppm, 279 ppm und 268 ppm (durchschnittlich 238 ppm). Ein Mitarbeiter des Betriebes erinnerte sich, dass ihm im Futter von Auge sichtbare Partikel aufgefallen sind, wobei es sich wahrscheinlich um unzureichend zerkleinerte Kupfersulfatkristalle gehandelt hatte (Higgins BJ, 1981) |
9. Literaturverzeichnis
Eich KO & Schmidt U (1998) Handbuch Schweinekrankheiten. VerlagsUnionAgrar Münster, pp 247-248
Heinritzi K & Plonait H (1997) Blutkrankheiten. In: Lehrbuch der Schweinekrankheiten (H Plonait & K Bickhardt Hrsg.), Parey Berlin, p 192
Higgins RJ (1981) Chronic copper poisoning in growing pigs. Vet Rec 109, 134-135
Meyer H (1971) Probleme der Kupferzufütterung bei wachsenden Schweinen. Dtsch Tierärztl Wschr 78, 277-280
Reese DE (1999) Nutrient Deficiencies and Excesses. In: Diseases of Swine 8th Edition (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed.), Iowa State University Press, Ames, p 749
Zentek J, Pfannes K & Kamphues J (1999) Tierernährung für Tierärzte - aktuelle Fälle: Kupferintoxikation bei Ferkeln. Dtsch Tierärztl Wschr 106, 288-291