2. Quellen
Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe werden als Herbizide verwendet. Dank der guten Wasserlöslichkeit werden Dipyridiniumverbindungen auch zur Bekämpfung von Algen eingesetzt. Zwischenfälle ereignen sich wegen Verwechslungen, unvorsichtiger Lagerung der Herbizidvorräte, Fahrlässigkeit in der Ausbringung oder Nichteinhalten der Wartezeiten nach Weidebehandlungen.
3. Kinetik
Dipyridiniumverbindungen können oral, aber auch über verletzte Hautbezirke aufgenommen werden. Nach oraler Resorption wird die höchste Plasmakonzentration nach etwa 1 Stunde gemessen. Eine Plasmaproteinbindung findet nicht statt. Anfänglich (bis etwa 30 Stunden nach Giftaufnahme) treten die höchsten Wirkstoffkonzentrationen in der Lunge und den Nieren auf; Dipyridiniumverbindungen werden jedoch nicht gespeichert.
Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich in nicht metabolisierter Form mit dem Harn, zum Teil auch mit dem Kot.
Die Halbwertszeit beträgt 12 Stunden, so dass der grösste Teil des aufgenommenen Wirkstoffes nach 24 Stunden bereits wieder ausgeschieden ist. Als Folge der Nierentoxizität kann die terminale Halbwertszeit auf über 120 Stunden verlängert sein.
4. Toxisches Prinzip
Konzentrierte Lösungen der Dipyridinium-Herbizide üben eine stark ätzende Wirkung auf Haut und Schleimhäute aus, womit es zur Bildung von Ulcera und Nekrosen kommt.
Im Gewebe induzieren Dipyridium-Herbizide die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies. Im Zentrum dieses Schädigungsmechanismus steht das Superoxidradikalanion (
●O
2-), das durch Radikalübergänge zur Entstehung des äusserst reaktionsfähigen Hydroxylradikals (
●OH) führt. Über Lipidperoxidation der Zellmembranen greifen diese Sauerstoffradikale bevorzugt das Lungen- und Nierenparenchym an. Der Vorgang der Lipidperoxidation ist besonders gefährlich, weil es sich um eine Kettenreaktion handelt: ein Membranlipid nach dem anderen wird oxidativ geschädigt, was schliesslich den Untergang der Zelle zur Folge hat.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Chlormequat | 54 | | | 920 |
Difenzoquat | 31-44 | 270-470 | | |
Diquat | 125 | 230-440 | 101-187 | 200-400 |
Morfamquat | 367 | 400-800 | | |
Paraquat | 120 | 100-203 | 110 | 110-362 |
6. Umwelttoxikologie
In der Umwelt sind die Dipyridinium-Herbizide einem raschen photochemischen Abbauprozess unterworfen. Ferner werden diese Wirkstoffe von Bodenpartikeln irreversibel adsorbiert.
II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer
1. Toxizität
1.1 | Diquat |
Rind: | Die LD50 beträgt 20-40 mg/kg Körpergewicht p.o. |
Kalb: | 20 ppm im Trinkwasser sind nicht toxisch. |
Schaf: | 20 ppm im Trinkwasser sind nicht toxisch. |
|
1.2 | Paraquat |
Rind: | Die LD50 beträgt 35-50 mg/kg. |
Schaf: | Die LD50 beträgt 8-10 mg/kg. |
Kühe: | Vertragen mehrere Wochen 400 ppm Paraquat im Futter ohne nennenswerten Schaden. Es kann zu einer leichtgradigen Stomatitis und einer vermehrten Salivation kommen. |
Kälber und jüngere Schafe: | Werden durch 20 ppm Paraquat im Trinkwasser nicht vergiftet. |
2. Latenz
Die gastrointestinalen Symptome treten einige Stunden nach Aufnahme der Substanzen auf. Die pulmonaren Symptome hingegen manifestieren sich erst einige Tage später.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Anorexie, Schwäche, Apathie |
|
3.2 | Nervensystem |
| Keine Symptome |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Salivation, Maulschleimhautläsionen |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Nach einigen Tagen Tachypnoe bis Dyspnoe, Husten |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Keine Symptome |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefund
Stomatitis, Laryngitis, Tracheitis, Gastroenteritis, Lungenödem, Fibrose der Lungen, nekrotische Nieren.
5. Weiterführende Diagnostik
Nachweis im Blut, Harn oder Mageninhalt. Wegen des raschen Abbaus müssen die Proben frisch oder eingefroren worden sein.
6. Differentialdiagnosen
Enteritis anderer Genese, Pneumonie, Vergiftungen mit anderen Herbiziden.
7. Therapie
7.2 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Wegen der Gefahr einer bakteriellen Infektion infolge der Aspiration antibiotische Versorgung, Kortisone. |
8. Fallbeispiel
Eine Herde von Schafen wurde auf eine Weide verbracht, die erst kürzlich mit einem auf Paraquat basierenden Herbizid gespritzt worden war. Kurz darauf zeigte ein Tier folgende Symptome: Zähneknirschen, rudernde Bewegungen und Opisthotonus. Das Schaf verendete einige Stunden später. Im Rumeninhalt konnt Paraquat in einer Konzentration von 2.7 ppm nachgewiesen werden. In der verbleibenden Herde wurde lediglich bei einem Tier Durchfall beobachtet (Lorgue et al., 1996).
9. Literatur
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Lorgue G, Lechenet J, Rivière A (1996) Paraquat. In:Clinical Veterinary Toxicology (Chapman MJ ed) Blackwell Science Ltd, London, pp 150-151
Lorgue G, Lechenet J, Rivière A (1996) Diquat. In:Clinical Veterinary Toxicology (Chapman MJ ed) Blackwell Science Ltd, London, p 98
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Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW (1999) Herbicides. In: Veterinary Medicine (Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW eds) Saunders Company London, pp 1618-1619
Shibamoto T & Kobayashi T (1986) Acute effect of paraquat on lung fluid balance and prostanoid production in awake sheep. Am Rew of Respir Dis 134, 1252-1257
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Tsuchiya T, Yoshida T, Imadea A, Kiho T & Ukai S (1995) Detoxification of paraquat poisoning: Effects of alkylsufates and alkylsulfonates on paraquat poisoning in mice and rats. Bio Pharm Bull 18, 523-528
Webb DB (1983) Nephortoxicity of paraquat in the sheep and the associated reduction in paraquat secretion. Toxicol & Appl Pharm 68, 282-289
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