2. Quellen
Der Einsatz von Strychnin zur Schädlingsbekämpfung ist in den meisten Ländern eingeschränkt oder ganz verboten. Trotzdem wird Strychnin gelegentlich gegen Vögel, Nager, Füchse oder andere Wildtiere verwendet. Sekundärvergiftungen durch Aufnahme von strychninvergifteten Vögeln oder Ratten sind bei Hund und Katze möglich. Früher wurde Strychnin auch als Analeptikum gebraucht.
3. Kinetik
Strychnin wird im Magen-Darm-Trakt schnell und vollständig resorbiert. Der Wirkstoff wird in der Leber und in den Nieren nur schwach angereichert. Die Ausscheidung erfolgt mit einer Halbwertszeit von etwa 10 Stunden hauptsächlich nach Biotransformation in der Leber. Bis 20% der aufgenommenen Gesamtmenge werden unverändert über den Harn eliminiert und sind dort schon wenige Minuten nach Ingestion nachweisbar.
4. Toxisches Prinzip
Strychnin wirkt als kompetitiver Antagonist des inhibitorischen Neurotransmitters Glycin und unterdrückt somit die Aktivität inhibitorischer Neuronen im Rückenmark. Insbesondere verhindert Strychnin die gegenseitige Hemmung der Aktivität antagonistischer Muskelgruppen. Über diesen Mechanismus entstehen tonische Kontraktionen der gesamten Skelettmuskulatur, die durch kleinste taktile oder akustische Reize ausgelöst werden können. Der Tod tritt durch Atemlähmung und Hyperthermie ein.
Die durch die tonische Kontraktion entstandene Muskelzellschädigung und die daraus resultierende Myoglobinurie können ein akutes Nierenversagen induzieren.
Der bittere Geschmack und die Schleimhautreizwirkung von Strychnin führen zu Erbrechen.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Huhn | Kaninchen |
Strychnin | 2 | 2.4 | | |
Strychninnitrat | 1.25 | 7.5 | 5 | 3 |
Strychninsulfat | | 0.5-3 | 5 | |
II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer
1. Toxizität
Die orale LD
50 von Strychninsulfat beträgt 0.5 mg/kg Körpergewicht beim Rind.
2. Latenz
Die Symptome treten innerhalb von Minuten bis höchstens zwei Stunden nach der Giftaufnahme auf.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Unruhe, Hyperthermie, Tod durch Asphyxie |
|
3.2 | Nervensystem |
| Hyperästhesie, intermittierende tonische Streckkrämpfe, Sägebockstellung, Muskelzucken, Opisthotonus, Trismus |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Dyspnoe, Atemlähmung |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Mydriasis |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Kirschrote oder bläuliche Schleimhäute (Zyanose) |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbar, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefund
Es kommt zu keinen spezifischen Organveränderungen.
5. Weiterführende Diagnostik
Strychninnachweis im verdächtigen Giftköder oder Mageninhalt mittels oder Hochdruckflüssigchromatographie; der Strychninnachweis im Harn ist nur möglich, wenn die Harnprobe innerhalb von 24 Stunden nach Giftaufnahme entnommen wurde.
6. Differentialdiagnosen
Tetanus, Vergiftungen mit Metaldehyd, chlorierten cyklischen Kohlenwasserstoffen, Pyrethroiden, Organophosphaten, Carbamaten, Phenoxycarbonsäure-Herbiziden.
7. Therapie
- | Krämpfe: Xylazin, Diazepam oder Pentobarbital (bei genügender Muskelrelaxation kann der Patient überleben); Vorsicht: Atemlähmung. |
7.3 | Forcierte Ausscheidung |
7.4 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Die Tiere möglichst absondern und an einen ruhigen, abgedunkelten Ort verbringen. |
8. Fallbeispiel
Zwei adulte Kühe zeigten nach einer vermuteten Strychninvergiftung durch den Nachbarn Unruhe, Krämpfe, Tympanie und Durchfall und mussten geschlachtet werden (Tox Info Suisse).
9. Literatur
Buck WB (1978) Clinical toxicosis induced by pesticides in livestock. Vet Med 73, 810-819
Hunter RT & Creekmur RE jr (1984) Liquid chromatographic determination of strychnine as poison in domestic animals. J Ass Off Analyt Chem 67, 542-545
Kühnert M (1991) Strychnin(-nitrat). In: Veterinärmedizinische Toxikologie (Kühnert M ed) Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, pp 183-185
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Strychnine. In: Clinical Veterinary Toxicology (Chapman MJ ed) Blackwell Science Ltd, London, pp 175-176
Morgan S, Martin T, Edwards WC & Stair EL (1987) Investigating a case of strychnine poisoning. Vet Med 82, 1044-1047
Plumlee KH (1996) Rodenticides and other Pesticides. In: Large Animal Internal Medicine (Smith BP ed) Mosby-Year Book, St.Louis, pp 1911-1913
Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW (1999)Strychnine. In: Veterinary Medicine (Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW eds) Saunders Company London, p 1679