2. Quellen
Bromverbindungen werden umfangreich als Arzneimittel eingesetzt. Vergiftungen treten meist wegen bromhaltiger Industrieabfälle oder in Folge der Anwendung von Methylbromid als Insektizid, Nematizid, Fungizid oder Herbizid auf.
3. Kinetik
Hinsichtlich der Resorption, Verteilung und Elimination verhalten sich Bromionen wie die entsprechenden Chloridionen. Methylbromid wird über die Haut oder Lungen resorbiert. Bei der Metabolisierung von Methylbromid entsteht der Reihe nach Methylalkohol, Formalin und Ameisensäure. Das Verteilungsvolumen von Brom ist 0.35-0.48 Liter/kg Körpergewicht. Die Halbwertszeit von Brom beträgt beim Hund 37-46 Tage. Für den Menschen wird eine Halbwertszeit von 9-12 Tagen angegeben. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über die Nieren und die Milch.
4. Toxisches Prinzip
- | Elementares Brom hat eine stark reizende Wirkung auf die Haut und Schleimhäute. |
- | Bei chronischer Bromvergiftung kann es durch die vermehrte Ausscheidung von Brom über die Hautdrüsen zur so genannten ,Bromakne" kommen. |
- | Bromate wirken toxikologisch wie Chlorate und führen zu Methämoglobinbildung und Hämolyse. |
- | Bromaceton, Bromacetophenon und Brombenzylcyanid sind Tränengase, allerdings sind sie wenig toxisch. |
- | Bromidionen ersetzen Chloridionen in verschiedenen Membrantransportsystemen, besonders im ZNS. Bis zu 30% der Chloridionen können durch Brom substituiert werden, wobei die Erregungsleitungsfunktion der neuronalen Membranen gehemmt wird. |
- | Methylbromid führt zu Lungenödem und Degenerationen im ZNS. |
5. Toxizität bei Labortieren
Die akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht) ist wie folgt:
- | Bromacetat: 100 (Maus), 177 (Ratte). |
- | Kaliumbromat: 160-320 (Ratte). |
- | Sodiumbromid: 3`500 (Ratte). |
Der MAK-Wert für Methylbromid ist 20 ppm.
II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer
1. Toxizität bei Wiederkäuern
Brom ist ab einer Konzentration von 4650 ppm im Futter (bezogen auf das Trockengewicht) toxisch.
2. Latenz
Im Vordergrund stehen chronische Vergiftungen. Die Tiere erkranken Tage bis Wochen nach Beginn der Fütterung mit kontaminiertem Futter.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Apathie, Inkoordination, Ataxie, Lethargie, Sedation, Depression |
|
3.2 | Nervensystem |
| Verzögerte Reflexe, Muskelschwäche |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Tympanie, Obstipation |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Bei Einatmen von Bromdämpfen oder Methylbromid: Husten, Dyspnoe |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Lakrimation durch gasförmige Bromverbindungen (Tränengase) |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Haut, Schleimhaut, Fell |
| Bromakne |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Bromate führen zu Methämoglobinbildung und Hämolyse |
|
3.132 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefund
Je nach Vergiftungsart: Lungenödem, Dermatitis, dunkles, schlecht geronnenes Blut.
5. Weiterführende Diagnostik
Toxische Wirkungen sind ab einer Bromkonzentration im Blut von 50 mg/100 ml (6.3 mmol/L) zu erwarten.
6. Differentialdiagnosen
Milzbrand, Chloratvergiftung, Kupfervergiftung, Kohl-, Zwiebel- und Rapsvergiftung, Harnwegserkrankungen, puerperale Hämoglobinurie, Leptospirose, Tränkehämoglobinurie, Babesiose, bazilläre Hämoglobinurie, bakterielle Pneumonie.
7. Therapie
7.3 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Lungenödem: Glucocorticoide |
7.4 | Forcierte Ausscheidung |
- | Kochsalzinfusionen (Verdrängung von Brom- durch Chloridionen). |
8. Fallbeispiel
Es kam zu einer Bromvergiftung von Rindern, Pferden und Ziegen durch kontaminiertes Heu. Dieses stammte von einer Wiese, die im Herbst mit Methylbromid behandelt worden war. Das Heu beinhaltete 6`800-8`400 ppm Brom (bezogen auf das Trockengewicht). Die Tiere zeigten Ataxie, Lethargie, waren schwach und hatten Körpertemperaturen von bis zu 41C. Die meisten Tiere erholten sich nach absetzen der kontaminierten Futterquelle innert einiger Tagen, andere jedoch mussten euthanasiert werden (Knight et al, 1977; Knight & Reina-Guerra, 1977).
9. Literatur
Carney MW (1971) Five cases of bromism. Lancet 2, 523-524
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillières Tindall, London, p 26
Knight HD & Costner GC (1977) Bromide intoxication of horses, goats, and cattle. J Am Vet Med Ass 171, 446-448
Knight HD & Reina-Guerra M (1977) Intoxication of cattle with sodium bromide-contaminated feed. Am J Vet Res 38, 407-409
Radostits OM, Blood DC, Gay CC, Hinchcliff KW (1999) Bromide Poisoning. In: Veterinay Medicine (Radostits OM, Blood DC, Gay CC, Hinchcliff KW eds) Saunders Company, St.Louis, p 1609
Rothenberg DM, Berns AS, Barkin R & Glantz RN (1990) Bromide intoxication secondary to pyridostigmine bromide therapy. J Am Med Assoc 263, 1121-1122
Trepanier LA & Babish JG (1995) Pharmacokinetic properties of bromide in dogs after the intravenous and oral administration of single doses. Res Vet Sci 58, 248-251