2. Quellen
Chrom kommt ubiquitär vor und wird als biologisch essentiell angesehen. Daneben werden Chromverbindungen vielfältig genutzt, zum Beispiel als Korrosionsschutz oder als Beiz-, Gerb- und Holzschutzmittel. Zum Gerben von Lederwaren dürfen nur dreiwertige Chromverbindungen wie zum Beispiel Kaliumchromsulfat (Chromalaun) oder Kaliumchromoxalat verwendet werden. Darüber hinaus kommen verschiedene Chromverbindungen in der Foto-, Grafik- und Textilindustrie sowie in Druckereien zum Einsatz. Es gibt blaue (zum Beispiel Chromhydroxid), grüne (zum Beispiel Chromoxid oder Chromphosphat), gelbe bis orangerote (zum Beispiel Kalium- oder Natriumdichromat) oder rote Chrompigmente (zum Beispiel Chromtrioxid), die in Farben eingemischt oder zum Färben von Glaswaren gebraucht werden. Spuren von Chromverbindungen sind auch in Zementmischungen enthalten. Trotz dieser sehr breiten Anwendung von Chrom sind Tiervergiftungen durch Kontamination des Futters oder Trinkwassers mit chromhaltigen Industrieemissionen selten.
3. Kinetik
Die Chromionen werden im unterschiedlichen Umfang über die Haut, den Magen-Darm-Trakt und die Lungen resorbiert. Infolge der guten Wasserlöslichkeit werden sechswertige Chromsalze am besten aufgenommen. Eine Speicherung im Gewebe findet nicht statt, so dass Leber, Nieren oder Knochen nach einer Exposition nur vorübergehend erhöhte Chromkonzentrationen aufweisen. Die Halbwertszeit von Chrom beträgt maximal etwa 48 Stunden, wobei die Ausscheidung hauptsächlich über die Nieren erfolgt.
4. Toxisches Prinzip
Am gefährlichsten sind die sechswertigen Chromsalze: Diese sind potente Oxidationsmittel, die auf alle Gewebe ausserordentlich stark ätzend wirken. Bei Hautkontakt kann sechswertiges Chrom schwere Hautentzündungen ("Chromekzeme") hervorrufen. Die Gewebsverätzungen setzen sich auch im Magen-Darm-Trakt, in den Lungenalveolen, an den Gefässkapillaren, in der Leber und den Nieren fort. Der Tod tritt sofort durch Kreislaufversagen oder innert einiger Tage als Folge einer Niereninsuffizienz ein.
Chrom ist ein starkes Allergen: Meistens kommt es zur Sensibilisierung durch Hautkontakt. Somit manifestiert sich die Chromallergie vor allem mit weitflächigen Hautexanthemen und Urtikaria.
Chrom(VI)-Verbindungen werden als mutagen und kanzerogen eingestuft. Epidemiologische Studien deuten auf eine erhöhte Rate an Lungentumoren bei beruflich exponierten Menschen hin.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Calciumchromat (CaCrO4) | | 327-746 | | |
Chromacetat (C4H6CrO4) | | 11'260 | | |
Chrom(II)chlorid (Cl2Cr) | | 1'870 | | |
Chrom(III)chlorid (Cl3Cr) | | 1'870 | | |
Chromfluorid (CrF3) | | > 150 | | |
Chromnitrat (CrN3O9) | 2'976 | 3'250 | | |
Chromtrioxid (Chromsäure, CrO3) | | 80 | | |
Kaliumchromat (K2CrO4) | 180 | | | |
Kaliumdichromat (K2Cr2O7) | 190 | | | |
Natriumdichromat (Na2Cr2O7) | | 50 | | |
II. Spezielle Toxikologie - Pferd
1. Toxizität
Die minimale toxische Dosis von Kaliumdichromat beim Pferd ist mit 20 mg/kg Körpergewicht p.o. angegeben. Die minimale letale Dosis von Kaliumdichromat beträgt 30 mg/kg.
2. Latenz
Die verschiedenen Chromverbindungen können sowohl akute wie chronische Vergiftungen mit sehr unterschiedlichen Latenzzeiten verursachen.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Anorexie, Abgeschlagenheit, Apathie, Durst, Hyperthermie |
|
3.2 | Nervensystem |
| Keine Symptome |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Schleimhautnekrosen, -erosionen und -ulcera, Perforationen, oft sind die Schleimhäute grün verfärbt: das Ausmass der Verletzungen am oberen Gastrointestinaltrakt kann durch eine endoskopische Untersuchung eruiert werden. |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Kolik, Durchfall (zum Teil hämorrhagisch) |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Läsionen der Nasenschleimhaut, Dyspnoe, Lungenödem |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Tachykardie, unregelmässiger Herzschlag, Kreislaufschock |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Konjunktivitis, Lakrimation |
|
3.9 | Harntrakt |
| Oligurie oder Anurie wegen Niereninsuffizienz, Hämoglobinurie |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Bei Hautkontakt Dermatitis mit schlechter Heilungstendenz, cyanotische Schleimhäute |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Hämolytische Anämie, seltener Methämoglobinämie |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Bei der Sektion fällt eine Gastroenteritis mit Erosionen, Ulcera oder Perforationen der Magen-Darm-Schleimhaut auf. Ferner geht die Chromvergiftung mit Degenerationen der Leber- und Nierenparenchyme einher.
5. Weiterführende Diagnostik
Chromnachweis in Mageninhalt, Blut, Leber oder Nieren mittels Atomabsorptionsspektrometrie. Chromkonzentrationen über 4 ppm im Blut und über 30 ppm in der Leber (bezogen auf das Feuchtgewicht) deuten auf eine Chromvergiftung hin.
6. Differentialdiagnosen
Gastroenteritis oder Niereninsuffizienz anderer Ursache.
7. Therapie
7.1 | Dekontamination |
| Verkrustete Hautwunden mit 10%-iger CaNa2EDTA-Lösung reinigen |
|
7.2 | Kreislauf |
| Flüssigkeit und Elekrolytersatz, Plasmaexpander oder Bluttransfusion |
|
7.3 | Antibiotika |
| Antibiotische Versorgung der Haut- und Schleimhautläsionen, zum Beispiel mit Procain-Penicillin 12'000 IE/kg Körpergewicht alle 24 Stunden |
|
7.4 | Antidottherapieversuch |
| Ein Therapieversuch kann mit Vitamin C (20 mg/kg i.v.) und N-Acetylcystein (150 mg/kg i.v.) durchgeführt werden: dabei wird das Ziel verfolgt, sechwertige Chromverbindungen in weniger toxischen dreiwertigen Verbindungen umzuwandeln. |
8. Fallbeispiel
In einem Reitbetrieb wurde eine grössere Anzahl neuer Ledersattelgurte angeschafft. Kurze Zeit später traten bei insgesamt 17 Pferden, die mit diesen Gurten geritten wurden, Hautekzeme auf, die sich von der Gurtlage bis zum Karpalgelenk ausbreiteten. Später entstand über den ganzen Körper ein Exanthem, das durch kirschkerngrosse, schmerzhafte Erhebungen der Haut gekennzeichnet war. In einem anderen Reitstall, wo die gleichen Sattelgurte zugekauft wurden, erkrankten weitere Pferde an ähnlichen Symptomen. Erst nachdem die Gurten aus dem Gebrauch genommen wurden, erholten sich die Pferde wieder langsam. Die Genesungszeit dauerte je nach Schweregrad der Hautläsionen zwischen 4 Wochen und 3 Monaten. Die chemische Analyse der Ledergurte ergab einen Chrom(VI)-gehalt von 42 ppm (Baltus & Heuschmann, 1996).
9. Literatur
Baltus V & Heuschmann R (1996) Toxische Kontaktdermatitis bei Pferden durch erhöhte Werte von 6-wertigem Chrom in Ledersattelgurten. Pferdeheilkunde 12, 839-842
Ferguson TJ (1999) Chromium. In: Poisoning and Drug Overdose (KR Olson, ed) Appleton & Lange, Stamford, pp 139-141
Gangolli S (1999) The dictionary of substances and their effects, Second Edition. Royal Society of Chemistry, Cambridge
Hapke H-J (1988) Toxikologie für Veterinärmediziner, Enke Verlag, Stuttgart, p 182
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Kühnert M & Gaede W (1991) Vergiftungen durch Emissionen und Immissionen. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (M Kühnert, ed) Gustav Fischer, Jena, pp 197-306
Langard S & Vigander T (1983) Occurrence of lung cancer in workers producing chromium pigments. Br J Ind Med 40, 71-74
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Michie CA, Hayhurst M, Knobel GJ, Stokol JM & Hensley B (1991) Poisoning with a traditional remedy containing potassium dichromate. Hum Exp Toxicol 10, 129-131
Sanz P, Nogue S, Munne P, Torra R & Marques F (1990) Acute potassium dichromate poisoning. Hum Exp Toxicol 10, 228-229
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Stoner RS, Tong TG, Dart R, Sullivan JB, Saito G & Armstrong B (1988) Acute chromium intoxication with renal failure after 1% body surface area burns from chromic acid. Vet Hum Toxicol 30, 361
Van Heerden PV, Jenkins IR, Woods WP, Rossi E & Cameron PD (1994) Death by tanning. A case of fatal basic chromium sulfate poisoning. Intens Care Med 20, 145-147
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Windholz M (1983) The Merck Index, Merck & Co, Rahway, New Jersey