Gentianae radix; Radix gentianae luteae | |||
Enzianwurzel; Bitterwurzel | |||
Racine de gentiane | |||
Radice di genziana | |||
Gentian root; Bitter wort |
● | Gentiana lutea L. |
- | Andere Arten von Gentiana: Die unter "Prüfung auf Identität, C, Detektion B" erhaltenen Chromatogramme werden ausgewertet. Ergebnis: Im Chromatogramm der Untersuchungslösung dürfen keine violetten Zonen direkt oberhalb der Zone von Amarogentin sichtbar sein (Ph. Eur. 10, 2020). |
- | Asche: höchstens 6% (Ph. Eur. 10, 2020). |
- | Bitterwert: mindestens 10 000 (Ph. Eur. 10, 2020). Obwohl die Wurzeln anderer Enzianarten höhere Bitterwerte aufweisen, sind sie von der Ph. Eur. nicht zugelassen (Hänsel & Sticher, 2010). |
- | Mit Wasser extrahierbare Substanzen: mindestens 33% (Ph. Eur. 10, 2020). |
- | Heisswasser (Infus; Wichtl, 2009) |
- | Wasser (Dekokt; Aichberger et al., 2012; Brendieck-Worm et al., 2015; Flück & Jaspersen-Schib, 2003; Reichling et al., 2016) |
- | Ethanol 45% V/V (Flüssigextrakt; EMA, 2009) |
- | Ethanol 53% V/V (Trockenextrakt; EMA, 2009) |
- | Ethanol 70% V/V (Tinktur; EMA, 2009) |
- | Die Droge besteht aus einfachen oder verzweigten, annähernd zylindrischen Stücken unterschiedlicher Länge (typischerweise 5-l5 cm) und in der Regel 5-40 mm im Durchmesser. Die Oberfläche ist gelblich braun oder graubraun, im Querschnitt gelblich oder rötlich gelb, jedoch nicht rötlich braun. Die Wurzel ist längs gefurcht und zeigt gelegentlich Narben von Nebenwurzeln. Die Rhizome tragen häufig endständige Knospen sowie immer kreisförmig und sehr eng angeordnete Blattnarben. Beim Trocknen werden Rhizom und Wurzel spröde und brechen mit glattem Bruch. Sie absorbieren leicht Feuchtigkeit, wobei sie biegsam werden. Im glatten Querschnitt ist eine Rinde erkennbar, die etwa ein Viertel des Radius einnimmt und durch ein deutlich sichtbares Kambium vom undeutlich radial gestreiften, hauptsächlich parenchymatösen Xylem getrennt ist. |
- | Das Pulver ist hellbraun oder gelblich braun (Ph. Eur. 10, 2020). |
- | Secoiridoidglykoside: Gentiopikrosid (ca. 2.5%) und Amarogentin (0.025-0.04%), mit einem Bitterwert von 58 Millionen. |
- | Secoiridoide: die Enantiomere (S)-(+)- und (R)-(-)-Gentiolacton. |
- | Zucker: u.a. das schwach bitter schmeckende Trisaccharid Gentianose (2.55%), das beim Trocknen, durch Abspaltung der Fructose, zur stärker bitter schmeckenden Gentiobiose (18%) wird; durch Abspaltung der endständigen Glukose entsteht die süss schmeckende Saccharose. |
- | Appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung: Die Bitterstoffe führen über eine Reizung der Geschmacksrezeptoren indirekt zu einer Anregung der Speichel- und Magensaftsekretion sowie direkt durch die Reizung der gastralen Mukosa. Zudem beschleunigt die Enzianwurzel die Magenentleerung, wirkt motilitätssteigernd, regt die Sekretion der Leber und des Pankreas an und verhindert oder hemmt Gärungsprozesse (EMA, 2009; Fröhner, 1900; Hänsel & Sticher, 2010; Hiller & Melzig, 2010; Reichling et al., 2016; Wichtl, 2009; Wiesenauer, 2016; Wynn & Fougère, 2007). |
- | Tierexperimentell finden sich Hinweise auf eine Steigerung der Bronchialsekretmenge (Kommission E, 1990). |
- | Indirekt wirkt sie antipyretisch, tonisierend und roborierend, immunmodulierend (Darmassoziiertes Immunsystem) (Wiesenauer, 2015). |
- | Ph. Eur. 10/2020: 10.0/0392 |
- | ESCOP: Monographie vorhanden (2003) |
- | WHO: Monographie vorhanden (2007) |
- | HMPC (EMA): Monographie vorhanden (Doc.Ref.: EMA/HMPC/321097/2012 vom 28.1.2015) |
- | Kommission E: Monographie vorhanden, ATC-Code: A16AY (BAnz. Nr. 223 vom 30.11.1985) |
- | In einer Übersichtsarbeit zu ethnoveterinärmedizinischen Studien Europas wird die Anwendung der Wurzel und Knolle aber auch der oberirdischen Teile verschiedener europäischer Enzianarten dokumentiert. Gentiana lutea wird hierbei insbesondere im Zusammenhang mit der Behandlung alimentärer und metabolischen Störungen sowie zur Anwendung bei Wundbehandlungen genannt (Mayer et al., 2014). |
- | Bäuerinnen und Bauern der Deutschschweiz verwenden Gentiana lutea-Wurzel-Pulver, -Infus und -Schnaps bei Rindern als Hausmittel für den Verdauungstrakt und Stoffwechsel (Bischoff et al., 2016; Disler et al., 2014; Mertenat et al., 2019; Stucki et al., 2019). |
- | Innerlich bei Magenbeschwerden infolge geringer Magensaftproduktion, zur Appetitanregung, bei Verdauungsbeschwerden, Blähungen (Brendieck-Worm & Melzig, 2021). |
- | Innerlich bei Verdauungsbeschwerden wie Appetitlosigkeit und Blähungen, bei chronischen Sekretionsstörungen der Verdauungsdrüsen und von Indigestion sowie als Ruminationsmittel (Aichberger et al., 2012; Brendieck-Worm et al., 2015; Fröhner, 1990; Klarer et al., 2013; Reichling et al., 2016; Wynn & Fougère, 2007). |
- | Als Stärkungsmittel (Tonikum) (Aichberger et al., 2012). |
- | In der Erholungsphase nach schweren Erkrankungen und bei Erschöpfung, etwa nach der Geburt; Rinder, Jungtiere: Durchfall (Ruhr), Appetitlosigkeit, Fieber (Klarer et al., 2013). |
Enzianwurzel (in g Droge/Tag) | |
Rind | 10-25-50 |
Pferd | 10-25-30 |
Ziege, Schaf | 2-5-10 |
Schwein | 2-4-5-10 |
Hund | 0.5-2 |
Katze | 0-0.2-1 |
Kaninchen (1-2-5 kg KGW) | 0.1-0.2-0.5 |
Meerschweinchen (1 kg KGW) | 0.1 |
Huhn (1-5 kg KGW) | 0.1-0.2-1 |
- | Die fein geschnittene oder grob pulverisierte Droge mit kaltem Wasser ansetzen (1:10), aufkochen und nach 5-10 min. abseihen (Aichberger et al., 2012; Brendieck-Worm et al., 2015; Flück & Jaspersen-Schib, 2003; Reichling et al., 2016). |
- | Enzian ist für Katzen nicht geeignet (Brendieck-Worm & Melzig, 2021). |
- | Gegenanzeigen: Enzian beim Monogastrier nicht bei Hyperazidität des Magens und nicht bei Verdacht auf Magen-Darm-Ulzera einsetzen (Aichberger et al., 2012; Brendieck-Worm & Melzig, 2021; Reichling et al., 2016; Wichtl, 2009). |
- | Als Nebeneffekt kommt es zur Sekretionsanregung der Nasen- und Bronchialschleimhaut (Brendieck-Worm & Melzig, 2021). |
- | Überdosierung führt zu Magenreizung (Hyperazidität) (Brendieck-Worm & Melzig, 2021). |
- | Das vorgeschriebene Behandlungsschema ist einzuhalten. Bei Überdosierung oder übermässig langer Anwendung können Tiere eine Gastritis entwickeln (Aichberger et al., 2012; Reichling et al., 2016). |
- | Bei Karnivoren ist mit schlechter Akzeptanz zu rechnen, gegebenenfalls Enzianextrakte in Kapseln anwenden (Brendieck-Worm & Melzig, 2021). |
- | Der Gelbe Enzian ist eine gebietsweise geschützte Pflanze. Die Arzneidroge aus der Apotheke stammt aus Kulturen. Die Nutzung von Apothekenware statt Wildsammlung bietet Schutz vor der Verwechslung mit dem giftigen Weissen Germer (Veratrum album L.) (Brendieck-Worm & Melzig, 2021). |
- | Es gibt keine Erfahrungsberichte zu trächtigen und laktierenden Tieren (Reichling et al., 2016). |
- | TAMV: Standardisierte Extrakte und Zubereitungen aus der Enzianwurzel sind auf der Liste 2/Anhang 2 aufgeführt, dürfen bei Nutztieren oral als Wirkstoff eingesetzt werden und erfordern bei der oralen Anwendung keinen Rückstandshöchstgehalt. |
- | European Feed Materials Register (momentan für die Schweiz nicht gültig): Enzianwurzel (getrocknet, geschnitten, pulverisiert, mazeriert) ist in der EU als Einzelfuttermittel registriert unter 003613-EN (2013-04-17); 001378-EN, 001378-FR (2011-02-09). |
- | Bei Verdauungsbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen (ESCOP, 2014; Hänsel & Sticher, 2009; Kommission E, 1990; Teuscher et al., 2012). |
- | Bei milden dyspeptischen/gastrointestinalen Beschwerden und/oder bei vorübergehendem Appetitverlust (EMA, 2009) |
- | Bei Atemwegsinfekten: Spezialextrakt für akute und chronische Sinusitis (Wiesenauer, 2016). |
- | 1-2 g fein geschnittene oder grob pulverisierte Enzianwurzel mit 150 ml siedendem Wasser übergiessen und nach 5 Minuten abseihen (Wichtl, 2009). |
- | 10 g fein geschnittene oder grob pulverisierte Enzianwurzel in 1 l kalten Wasser zum Sieden bringen und ziehen lassen (Flück & Jaspersen-Schib, 2003). |
- | Gegenanzeige: Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Neigung zur Magenübersäuerung (ESCOP, 2014; Hänsel & Sticher, 2009; Kommission E, 1990). |
- | Seltene unerwünschte Nebenwirkungen sind Diarrhoe, krampfartige Magenschmerzen, Kopfschmerzen sowie Pruritus (EMA, 2009). |
- | Die Anwendung bei Personen unter 18 Jahren wird wegen mangelnder Daten nicht empfohlen (EMA, 2009). |
- | Für die Anwendung von Enzianwurzel während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor, deshalb wird von einer Anwendung abgeraten (EMA, 2009). |
- | Es sind keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bekannt (EMA, 2009; Wichtl, 2009). |
- | Aichberger L., Graftschafter M., Fritsch F., Gansinger D., Hagmüller W., Hahn-Ramssl I., Hozzank A., Kolar V. & Stöger E. (2012) Kräuter für Nutztiere und Heimtiere. 2. Auflage. Eigenverlag Wien, pp. 46-47 |
- | Bischoff T., Vogl C.R., Ivemeyer S., Klarer F., Meier B., Hamburger M. & Walkenhorst M. (2016) Plant and natural product based homemade remedies manufactured and used by farmers of six central Swiss cantons to treat livestock. Livestock Science 189, 110-125 |
- | Brendieck-Worm C. & Melzig M.F. (2021) Phytotherapie in der Tiermedizin. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, pp. 89, 133, 300 & 307 |
- | Brendieck-Worm C., Klarer F. & Stöger E. (2015) Heilende Kräuter für Tiere: Pflanzliche Hausmittel für Heim- und Nutztiere. Haupt Verlag, Bern, pp. 46-55 & 98 |
- | Disler M., Ivemeyer S., Hamburger M., Vogl C.R., Tesic A., Klarer F., Meier B. & Walkenhorst M. (2014) Ethnoveterinary herbal remedies used by farmers in four north-eastern Swiss cantons (St. Gallen, Thurgau, Appenzell Innerrhoden and Appenzell Ausserrhoden). J Ethnobiol Ethnomed. 10, 32-54 |
- | ESCOP monographs. The scientific foundation for herbal medicinal products, 2nd edition, completely revised and expanded (2003) Ed. F.H. Kemper, Thieme Verlag, Stuttgart, pp. 174-177 |
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- | European Medicines Agency (EMA) (2009) Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC): Community herbal monograph on Gentiana lutea L., radix, final. Doc. Ref.: EMA/HMPC/578324/2008, London, 12 November 2009, http://www.ema.europa.eu (1995-2017) |
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- | Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 4 (1973) 4. Auflage. Hrsg.: Kern W., Roth H.J., Schmid W., List P.H. & Hörhammer J. Springer-Verlag Berlin, pp. 1112-1120 |
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- | Kommission E (1985 & 1990) Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft, 50445 Köln |
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- | Wynn S.G. & Fougère B.J. (2007) Veterinary herbal medicine. Mosby Elsevier, St. Louis, Missouri, pp. 170, 330 |