Die Maulhöhle ist natürlicherweise mit Bakterien besiedelt. Deshalb hat jede Beschädigung der Schleimhautbarrieren eine bakterielle Superinfektion zur Folge. Dazu gehören Verletzungen der Weichteile, offene Kieferfrakturen, traumatische Rissverletzungen des epithelialen Halteapparats (Zahnluxation und Zahnabriss), iatrogene Verletzungen und Parodontalerkrankungen (siehe Paradontale Erkrankung).
Bei einer chronischen Stomatitis liegt oft eine bakterielle Superinfektion vor. Der eigentliche Auslöser dieser Erkrankung ist unbekannt, es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine multifaktorielle Krankheit, an deren Entwicklung eine Störung des Immunsystems, Stress, eine virale oder eine bakterielle Infektion beteiligt sein können. Durch eine inadäquate Immunantwort kann die Maulschleimhaut und das Zahnfleisch oberflächlich infiziert werden, was durch eine Hyperplasie noch verschlimmert wird.
Bei der Katze setzt sich die Maulflora hauptsächlich aus Pasteurellaceae (18,7%), Moraxella spp. (10,9%), Thermomonas spp. (6,9%), Comamonadaceae (5,6%), Neisseria spp. (4,9%), Moraxellaceae (4,4%) und Pasteurella spp. (4,3%) zusammen. Bei Katzen mit chronischer Gingivo-Stomatitis (FCGS) besteht eine positive Korrelation zwischen der Schwere klinischer Symptome, dem Spiegel bestimmter Zytokine, dem Nachweis von Felinen Caliciviren sowie der Konzentration bestimmter Bakterienstämme wie Tannerella forsythia, Pasteurella multocida und Porphyromonas circumdentaria. Allerdings kann die Präsenz dieser Mikroorganismen alleine die Pathogenese dieser multifaktoriellen Erkrankung nicht erklären.
Die Symptome sind vielfältig und hängen vor allem vom Typ und von der Lokalisation der Infektion ab. Eine Untersuchung sollte unter Vollnarkose erfolgen.
Eine Stomatitis ist oft mit extremen Schmerzen und üblem Geruch verbunden.
Bei der Katze sind die Läsionen häufig generalisiert mit Gingivitis, Stomatitis, einer Entzündung des vorderen Gaumenbogens (Arcus palatoglossus), geschwollenen mandibulären Lymphknoten und manchmal Ulzerationen auf dem Zungenrücken. Der Zustand des Gebisses kann von gesund bis zu schwerer Parodontitis mit Zahnresorption reichen. Der Speichel enthält oft übelriechende gelbliche Sekrete.
Die Behandlung beginnt mit der Beseitigung der Ursache. Die Maulhöhle muss vor jedem kieferchirurgischen Eingriff gereinigt, das Gebiss saniert (Zahnstein-Entfernung) mit einer 0,12%igen Chlorhexidin-Lösung gründlich desinfiziert werden. Eine aktuelle Studie beim Menschen konnte aufzeigen, dass Salzwasser gegen Zahnbelag mindestens so wirksam ist wie eine Mundspülung mit Chlorhexidin.
Bei gesunden Tieren muss eine frische oder iatrogene Wunde mit einer verdünnten Chlorhexidin-Lösung gereinigt und anschliessend mit einer physiologischen Lösung gespült werden, bevor sie verschlossen werden. Eine Behandlung mit Antibiotika ist in diesem Fall nicht angezeigt.
Speziell in Fällen von Stomatitis, bei denen die Infektion mit antiseptischen Lösungen nicht zufriedenstellend therapiert werden kann, muss die Extraktion aller Zähne ins Auge gefasst werden. Da der Zahnbelag das wichtigste Bakterien-Reservoir darstellt, ist eine vollständige Zahnextraktion oft vorteilhaft und zeigt mittel- und langfristig die besten Resultate.
Bei Tieren mit Stoffwechselkrankheiten oder Immunschwäche wird dasselbe Verfahren angewendet, es wird aber mit einer Antibiotikatherapie ergänzt.
Eine Antibiotikatherapie wird ebenso in folgenden Fällen empfohlen:
● | Alte Wunde (mehr als 6 Stunden) |
● | Zahnluxation/Zahnavulsion (bei konservativer Behandlung) |
● | Infektiöse Stomatitis |
● | Gesichtsphlegmone |
● | Offene Kieferfraktur |
● | Chirurgischer Eingriff an einer kontaminierten Stelle |
● | Osteitis |
● | Osteomyelitis |
Stomatitis | |||
Zu beachten | Bei Stomatitis ist eine Antibiotikabehandlung nur manchmal notwendig, aber immer als begleitende und nicht als alleinige Massnahme. | ||
Priorisierung/Antibiotika | Dosierung | Behandlungsdauer | Bemerkungen |
First line | |||
Amoxicillin | 10 - 20 mg/kg 2 × tgl. p.o. | Kurzzeitbehandlung (5 Tage) oder bis zum Verschwinden der Symptome. Bei nekrotisierend-ulzeröser Parodontitis und Osteomyelitis muss die Therapie auf 2 Wochen verlängert werden bzw. gemäss Verlauf (Re-Evaluation in Nachkontrollen). |
|
Clindamycin | 11 mg/kg 2 × tgl. p.o. | Bei Osteomyelitis hohe Resistenzraten | |
Metronidazol/Spiramycin | 12 - 22 mg/kg 2 × tgl. p.o. | ||
Second line | |||
Doxycyclin | 10 mg/kg 1 × tgl. p.o. | s. oben | |
Amoxicillin/Clavulansäure | 12,5 - 20 mg/kg 2 × tgl. p.o. | ||
Stark eingeschränkter Einsatz Cefovecin |
Die routinemässige Gabe von langzeitwirksamen kritischen Antibiotika aufgrund der Einfachheit der Verabreichung ist aufgrund des hohen Risikos der Selektion multi-resistenter Keime kontraindiziert. |
Orale Infektionen sind oft sehr schmerzhaft. Es ist deshalb wichtig, die Tiere mit hohen Dosen von Entzündungshemmern und Schmerzmitteln zu behandeln. Die Anwendung von Corticosteroiden ist kontraindiziert, da diese immunsuppressive Eigenschaften haben, und so das Wachstum von Bakterien begünstigen.
Bei Katzen, die auch nach der vollständigen Extraktion der Zähne therapieresistent sind, lassen sich mit Substanzen wie Ciclosporin, Interferon-Omega und Lactoferrin gewisse Erfolge erzielen.