Die Otitis externa ist eine sehr häufige Erkrankung beim Hund. Sie kommt bei der Katze seltener vor. In vielen Fällen entwickeln sich rezidivierende oder chronische Probleme, die eine langwierige Behandlung mit sich bringen.
Bei der Otitis handelt es sich um eine Faktorenkrankheit. So werden prädisponierende, primäre, sekundäre und perpetuierende Faktoren unterschieden. Für die langfristig erfolgreiche Behandlung müssen möglichst alle Faktoren angegangen und korrigiert werden. Die allergische Otitis ist die häufigste primäre Ursache für Otitis beim Hund.
Prädisponierende Faktoren unterstützen die Entwicklung einer Otitis, sind aber nicht fähig, eine Otitis auszulösen. Dazu zählen:
● | Anatomische Gegebenheiten: enger Gehörkanal, tief angesetzte Ohrmuscheln und schwere Schlappohren, starke Behaarung, übermässige Cerumenproduktion, Hautfalten, Brachycephalie |
● | Klimafaktoren: Feuchtigkeit, Wärme |
● | Obstruktive Ursachen: Polypen, Tumoren, Granulationsgewebe |
● | Trauma des Gehörgangs |
● | Effekte durch die Ohrbehandlung wie z.B. das exzessive Auszupfen von Haaren aus dem Ohrkanal |
Die primären Faktoren sind verantwortlich für die Entstehung einer Otitis externa. Hierzu gehören:
● | Allergien: Futtermittelallergie, atopische Dermatitis, Kontaktallergie/dermatitis |
● | Ektoparasiten: Otodectes cynotis, Demodex canis, Neotrombicula autumnalis, Zecken, Notoedres, Sarkoptes |
● | Fremdkörper (z.B. Grasgrannen, Sand, Medikamentenreste) |
● | Keratinisierungsstörungen: primäre Seborrhoe, Sebadenitis |
● | Endokrinopathien: Hypothyreose, Hyperadrenocorticismus |
● | Autoimmunerkrankungen: Pemphigus foliaceus, Pemphigus vulgaris, bullöses Pemphigoid, Lupus erythematosus |
● | Juvenile Zellulitis, Erythema multiforme, Medikamentenreaktionen |
Die sekundären Faktoren sind eine Folge der primären Faktoren und verstärken die Symptome der Otitis externa. Dies sind vor allem Infektionen mit verschiedenen Bakterien oder mit Hefepilzen.
Die perpetuierenden Faktoren unterhalten die Otitis externa, d.h. sie verhindern die Abheilung. Es handelt sich um progressive pathogene Veränderungen des Ohrkanals, die im Laufe von chronischen Ohrentzündungen entstehen und irreversibel sein können. Hierzu gehören:
● | Hyperplasie des Gehörgangepithels |
● | Epitheliale Proliferationen und Stenose des Ohrkanals (z.B. durch Fibrosierung oder gar Ossifikation des Ohrkanals). |
● | Veränderungen der epithelialen Zellmigration → gestörte Selbstreinigung |
● | Veränderungen des Trommelfells: Verdickung, Divertikel, Dilatation |
● | Otitis media |
Um eine Otitis externa erfolgreich therapieren bzw. einen Rückfall verhindern zu können, müssen alle 4 Faktoren erkannt und kontrolliert werden.
● | Staphylococcus spp., beim Hund meist Staphylococcus pseudintermedius |
● | Pseudomonas spp., meist Pseudomonas aeruginosa |
● | Escherichia coli |
● | Streptococcus spp. meist Streptococcus canis |
● | Enterococcus spp. |
● | Corynebacterium spp. |
● | Proteus spp. |
● | Pasteurella spp. |
● | Malassezia spp., meist Malassezia pachydermatis |
● | Leichter bis mässiger Juckreiz, Kopfschütteln |
● | Wenig schmerzhaft (ausser perakut) |
● | Keine bis geringe Schwellung/Erythem des Gehörganges |
● | Vermehrt Cerumen sichtbar im Ohrkanal |
● | Veränderter Geruch im Ohrkanal |
● | Oft starker Juckreiz und Kopfschütteln |
● | Oft sehr schmerzhaft bei Berührung, Kopfschiefhaltung möglich |
● | Hochgradige Schwellung mit Stenose des Gehörganges möglich |
● | Erythem des Epithels, Erosionen und Ulzerationen möglich |
● | Viel Ohrsekret, unangenehmer Geruch |
● | Lichenifikation, Erythem, Hyperkeratose der Pinna möglich |
● | Schwerhörigkeit möglich |
● | Erste diagnostische Schritte: Adspektion der Pinnae, Palpation des Ohrkanals und otoskopische Untersuchung beider Ohren. |
● | Jeder otoskopischen Untersuchung geht eine vollständige klinische und dermatologische Untersuchung voraus. |
● | Eine exakte Diagnostik erfordert die Berücksichtigung aller Faktoren. |
● | Zytologische Beurteilung von Ausstrichen beider Gehörgänge ist immer angezeigt |
● | Eine bakteriologische Kultur mit Antibiogramm ist in folgenden Fällen angezeigt: |
● | Stäbchenförmigen Bakterien in der Zytologie (evt. Hinweis auf P. aeruginosa) und systemische Antibiose geplant |
● | Verdacht/Nachweis einer Otitis media (rupturiertes Trommelfell) |
● | Fehlendes Ansprechen auf empirische Ersttherapie |
● | Chronisch-rezidivierender Otitis externa |
● | Ulzerationen des Gehörgangepithels |
Die Bakteriologie dient v.a. der Identifikation der beteiligten Bakterien, um die Wahl des Antibiotikums zu leiten, z.B. beim Nachweis von P. aeruginosa. Vom Antibiogramm kann jedoch nicht auf die Wirksamkeit eines topische Antibiotikums geschlossen werden, da topische Antibiotika eine 100-1000-fach höhere Konzentration im Gehörgang erreichen als im Plasma erreicht werden kann (das Antibiogramm bezieht sich meist auf die erwartete Antibiotikakonzentration im Plasma).
● | Wichtigste Massnahme ist die Erkennung und Behandlung der Ursache. |
● | Übermässiges Cerumen ist mit desinfizierenden Ohrreinigern zu entfernen. |
● | Bei eitrigem Ohrsekret sind wässrige Lösungen zu gebrauchen. |
● | Wahl des topischen Antibiotikums/Antimykotikums je nach Zytologie bzw. Bakteriologie. |
● | Die topische Therapie ist somit wirksamer und wichtiger als die systemische Behandlung. Eine orale Antibiotikatherapie ist in den meisten Fällen von Otitis externa nicht notwendig, sofern die lokale Therapie adäquat durchgeführt werden kann. |
● | Vom Antibiogramm kann nicht a priori auf die Wirksamkeit eines lokal applizierten Antibiotikums geschlossen werden (s. "Diagnose / Tests"). |
● | Die zusätzliche Behandlung mit Entzündungshemmern (topisch/oral), ist bei deutlichen Symptomen einer Entzündung oder chronischen Otitiden sehr wichtig. Kortikosteroide sollten NSAIDS vorgezogen werden, da sie eine bessere abschwellende Wirkung haben |
● | Der Therapieerfolg muss regelmässig kontrolliert werden: in der Regel nach 2 Wochen. |
● | Die Compliance der Besitzer:innen ist für den Behandlungserfolg wichtig und sollte überprüft werden. |
Bei schlechter Resistenzlage oder bei perforiertem Trommelfell besteht die Möglichkeit der Herstellung von Magistralrezepturen mit einem Antibiotikum, gegen welches das verursachende Bakterium sensibel ist (meist in Form einer wässrigen Injektionslösung), Tris-EDTA und Dexamethason.
Bei Infektionen mit multiresistenten P. aeruginosa kann auch eine Magistralrezeptur mit Sulfadiazin-Silber, Tris-EDTA und Dexamethason angewendet werden.
N-Acetylcystein kann den Magistralrezepturen ebenfalls zugefügt werden und verfügt über Biofilm-auflösende Wirkungen.
Einfache, akute Otitis externa | |||
Zu beachten | Eine systemische Antibiose ist meistens nicht indiziert. Die lokale Therapie ist wirksamer und falls immer möglich zu bevorzugen. Die zusätzliche Behandlung mit steroidalen Entzündungshemmern (topisch/oral) ist bei ausgeprägter Symptomatik sehr wichtig. Zusätzlich Ohrspülung zur Entfernung von Cerumen und Debris. Ein Präparat zur oralen Antibiotikatherapie sollte, sofern indiziert, gemäss Resultat der Bakteriologie gewählt werden. | ||
Präparat | Dosierung | Behandlungsdauer | Bemerkungen |
First line | |||
Topische Präparate basierend auf Glucocorticoid - Antibiotikum - Antimykotikum | 1 - 2 × tgl. topisch | 2 - 3 Wochen; Kontrolle nach 2 Wochen | |
Second line | |||
Magistralrezeptur für Tris-EDTA / Marbofloxacin oder Enrofloxacin +/- Dexamethason | 1 - 2 × tgl. topisch | 2 - 3 Wochen; Kontrolle nach 2 Wochen | Fluorchinolone sind kritisch wichtige Antibiotika und sollten deshalb möglichst nicht als First-Line Präparate verwendet werden. Nur Einsetzen bei Verdacht auf / bekannte Ruptur des Trommelfells |
Chronische Otitis externa | |||
Präparat | Dosierung | Behandlungsdauer | Bemerkungen |
First line | |||
Topische Präparate basierend auf Glucocorticoid - Antibiotikum - Antimykotikum | 1 - 2 × tgl. topisch | Oft langwierige Therapien nötig (2 - 3 Monate, teils länger); Kontrolle nach 2 Wochen | |
Second line | |||
Magistralrezeptur für Tris-EDTA / Marbofloxacin oder Enrofloxacin +/- Dexamethason | 1 - 2 × tgl. topisch | s. oben | Fluorchinolone sind kritisch wichtige Antibiotika und sollten deshalb möglichst nicht als First-Line Präparate verwendet werden. Nur Einsetzen bei Verdacht auf / bekannte Ruptur des Trommelfells |
● | Frühzeitiger Behandlungsbeginn der Otitis externa sowie schnelle Identifikation der Grundursache zur Vermeidung von chronischen und rezidivierenden Fällen. |
● | Gute Belüftung des Gehörgangs gewährleisten. |
● | Bei Hunden nach dem Schwimmen die Ohrkanäle trocknen. |
Bei starker Sekretbildung und bei festanhaftendem Sekret kann vor allem bei chronischen Fällen eine Ohrspülung in Narkose notwendig sein. Wenn möglich kann dies in Form einer Videootoskopie erfolgen, damit gleichzeitig auch noch eine genaue Untersuchung von Gehörgang und Trommelfell erfolgen kann.