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Zahnerkrankungen

Wichtige Hinweise

Hintergrundinformationen

Zahnerkrankungen kommen bei Nagetieren häufig vor und gehören zu den häufigsten Vorstellungsgründen in der Praxis/Klinik.
 
Bei Komplikationen von Zahnerkrankungen wie periapikalen Zahnentzündungen, Parodontitis, Osteomyelitis oder Abszessen ist eine antibiotische Therapie im Zusammenhang mit einer chirurgischen Therapie indiziert.
 
Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Ursachen, Risikofaktoren, Schlüsselstellen

Die Schneidezähne aller Nagetiere und die Backenzähne bei Meerschweinchen, Chinchillas und Degus haben keine anatomische Wurzel, wachsen lebenslang (elodont) und besitzen eine lange Krone (hypsodont). Aufgrund des permanenten Wachstums kann jeder Zustand, der das Gleichgewicht zwischen Wachstum oder Abrieb beeinträchtigt, pathologische Folgen haben.
 
Als Ursachen für Zahnerkrankungen werden diskutiert: angeborene Fehlstellungen, Traumata, abnormer Abrieb (z.B. zu wenig Rohfaser im Futter) und metabolische Störungen (z.B. Vitamin-C-Mangel beim Meerschweinchen).
 
Bei Chinchillas und Hamstern sind auch Karies und resorptive Läsionen beschrieben.
 
Komplikationen: hepatische Lipidose, Ketoazidose (Chinchillas), gastrointestinale Störungen.
 
Achtung: Jede Art hat unterschiedliche physiologische Verfärbungen der Inzisivi (Zahnschmelz). Bei Meerschweinchen und dsungarischen Zwerghamstern sind sie weiss, während bei Chinchillas und Goldhamstern die Schneidezähne gelb-orange gefärbt sind. Andere anatomische Unterschiede, wie z.B. Zahnlänge und Form der Krone, sollten ebenfalls berücksichtigt werden, um abnormale Zustände zu erkennen.
 

Erreger

Zahnabszesse bei Meerschweinchen enthalten typischerweise eine Mischflora aus aeroben und anaeroben, grampositiven und gramnegativen Bakterien.
 
Aerobe: am häufigsten Pasteurella spp. (häufiger P. multocida), seltener Streptococcus spp., Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus spp.
 
Anaerobe: am häufigsten Bacteroides spp. (am häufigsten B. fragilis, zoonotisches Potential), Peptostreptococcus spp., seltener Fusobacterium spp. (zoonotisches Potential), Prevotella spp. (zoonotisches Potential), Atopobium spp., Eggerthella spp., Finegoldia spp., Streptococcus spp., Tissierella spp., Veilonella spp., Clostridium clostridiforme.
 
Es wird angenommen, dass bei anderen Nagetieren eine ähnliche gemischte Flora auftritt.
 

Symptome

Vermehrtes Speicheln, nasses Kinn, Speicheldermatitis, im periodontalen Raum festsitzende Futterpartikel, Foetor ex ore, mandibuläre oder maxillare Auftreibungen, Anorexie und Dysphagie (z.B. vermeiden von Heu und hartem Futter).
 
Zahnerkrankungen und damit verbundene Schmerzen können auch mit anderen Problemen, wie Gewichtsverlust, wiederkehrendem oder chronischem Augenausfluss (Epiphora, Dacryozystitis), Exophthalmus (z.B. bei retrobulbären Abszessen), eitriger Nasenausfluss, Dyspnoe, gastrointestinale Stase, Fellfressen, Konstipation assoziiert sein.
 
Diagnose / Tests Klinische Untersuchung: Adspektion und Palpation der Kieferkontur, um Knochenauftreibungen oder Schwellungen zu identifizieren und Adspektion der Schneidezähne um Asymmetrien, Überwachsen und Schmelzanomalien zu erkennen.
 
Eine Maulhöhlenuntersuchung ohne Allgemeinanästhesie mit Otoskop oder Kindernasenspekulum und einer starken Lichtquelle sollte bei jeder klinischen Untersuchung durchgeführt werden.
 
Eine Maulhöhlenuntersuchung mit einem Endoskop in Allgemeinanästhesie ermöglicht eine klare Übersicht der Zähne und der Maulschleimhaut.
 
Bildgebende Diagnostik: Röntgen und/oder CT des Kopfes sind empfehlenswert bei Komplikationen wie Abszessen oder Osteomyelitis. Die CT erlaubt dank der überlagerungsfreien Schnittbildtechnik eine bessere Visualisierung von Details und von anatomischen Strukturen, für eine genauere Prognosestellung und für die chirurgische Planung.
 
Identifikation der Erreger: Kultur und Antibiogramm aus Biopsien der Abszesskapsel, des veränderten Knochens oder des Zahns. Wenn die Probe aus dem Abszesskapselgewebe entnommen wird, ist das Bakterienisolat wahrscheinlich relevant, auch wenn orale oder gastrointestinale Flora isoliert wird.
 
Die mikrobiologische Anzüchtung eines Tupfers aus dem Inneren des Abszesses ist nicht indiziert, da er meistens steril ist.
 
Sowohl anaerobe als auch aerobe Kulturen sind notwendig.
 
Therapieleitlinien

Grundsätzliches

Zahnerkrankungen ohne Komplikationen brauchen i.d.R. keine Antibiose und können mit einer Zahnkorrektur oder Zahnextraktion, Analgesie, regelmässige tierärztliche Untersuchungen und präventiven Massnahmen (z.B. artgerechte Fütterung) unter Kontrolle gebracht werden.
 
Zahnerkrankungen, die durch periapikale Zahnentzündungen, Abszesse und Osteomyelitis kompliziert sind, brauchen eine Kombination von chirurgischer, analgetischer und antibiotischer Therapie.
 
Abszesse bei Nagetieren enthalten Eiter, der flüssig bis fest und von einer Kapsel umgeben ist. Diese Eigenschaften erschweren es, eine optimale Wirkung von Antibiotika zu erreichen, weshalb eine reine medikamentöse Therapie meistens nicht erfolgreich ist. Aus diesem Grund ist es wichtig, eine antibiotische Therapie immer mit einer chirurgischen Therapie zu kombinieren. Rein medikamentöse Therapien können nur als palliative Massnahme eingesetzt werden.
 
Die Therapie einer Zahnerkrankung ist oft langwierig und bedarf einer guten Compliance des Besitzers (Medikamentengabe, Spülung und Hygiene der Wunde). Es ist mit Komplikationen und Rezidiven zu rechnen.
 

Antibiotika

Eine systemische antibiotische Behandlung sollte, wenn immer möglich nach einer bakteriellen Kultur und Antibiogramm erfolgen.
 
Als «first line» Antibiotikum ist Trimethoprim-Sulfonamid kombiniert mit Metronidazol peroral indiziert.
 
Trimethoprim-Sulfonamid-Kombination wirkt bakterizid, besitzt ein breites Wirkspektrum und verursacht selten Nebenwirkungen. Aufgrund des Risikos einer Kristallbildung in den Nierentubuli durch Trimethoprimderivate in saurem Urin (bei Herbivoren selten), ist Trimethoprim-Sulfonamid bei vorbestehender Niereninsuffizienz kontraindiziert. Staphylokokken, Pseudomonas spp. und weitere Bakterien können resistent sein. Beim Meerschweinchen ist diese Kombination mit Metronidazol als «first line» antibiotische Behandlung angezeigt.
 
Als «second line» Antibiotikum wird Chloramphenicol peroral empfohlen. Dieses Antibiotikum ist auch oral verabreicht verträglich und verursacht sehr selten Nebenwirkungen im gastrointestinalen Trakt. Es wirkt gegen viele grampositive, viele gramnegative und anaerobe Bakterien. Pseudomonas spp. sind oft resistent gegen dieses Antibiotikum. Der Wirkstoff kann beim Menschen eine aplastische Anämie verursachen. Deshalb wird dringend empfohlen, Chloramphenicolpräparate nur mit Handschuhen und erhöhter Vorsicht zu verabreichen.
 
Fluorchinolone (Enrofloxacin und Marbofloxacin) sollten nicht ohne vorheriges Antibiogramm eingesetzt werden, da sie zu den kritischen Antibiotika gezählt werden und die Zahnabszess-assoziierten Bakterien variable Resistenzraten gegen diese Antibiotika aufweisen. Fluorchinolone wirken gegen die meisten gramnegativen Keime, viele grampositive Bakterien sowie gegen Mycoplasmen, können peroral oder parenteral (s.c., i.v.) verabreicht werden und sie gelten als verträgliche Antibiotika.
 
Zur Kompensation der reduzierten Wirkung auf grampositive Bakterien und Anaerobier werden Fluorchinolone mit Metronidazol kombiniert. Metronidazol wirkt gegen anaerobe Bakterien und Protozoen und verursacht selten Nebenwirkungen. Resistenzen sind bei Actinomyces spp. und Bacteroides spp. möglich.
 
Es werden auch lokale antibiotische Behandlungen mit variablem Erfolg eingesetzt. Solche Behandlungen sollten immer durch eine adäquate systemische Antibiose unterstützt werden.
 
Nagetiere: Periapikale Zahnentzündung, Abszess, Kiefer-Osteomyelitis
PriorisierungAntibiotikaDosierungDauerBemerkungen
First LineTrimethoprim-Sulfonamid50 - 100 mg/kg 1 × täglich p.o./s.c. Trimethoprim-Sulfonamid nicht bei Niereninsuffizienz
 mit
Metronidazol
10 - 20 mg/kg 2 × täglich p.o.  
Second LineChloramphenicol30 - 50 mg/kg 2 - 3 × täglich p.o.Bis klinische AbheilungKann beim Menschen aplastische Anämie verursachen, NUR mit Handschuhen verabreichen
Stark
eingeschränkter
Einsatz, nur
nach Erregernachweis
und
Antibiogramm
Enrofloxacin5 - 20 mg/kg 1 - 2 × täglich p.o./s.c./i.m.Bis klinische AbheilungKritische Antibiotika

s.c. Injektionen mit Fluorchinolonen sind schmerzhaft und können Gewebsnekrosen verursachen
 Marbofloxacin2 - 5 mg/kg 1 × täglich p.o./s.c./i.m.  
 mit
Metronidazol
10 - 20 mg/kg 2 × täglich p.o.  
 

Resistenzlage

Pseudomonas aeruginosa Bakterien weisen Resistenzen gegen Chloramphenicol und variable Resistenzen gegen Enrofloxacin auf.
 
In einer Studie von Minarikova et al. (2016) waren aerobe Bakterien, die in odontogenen Abszessen bei Meerschweinchen isoliert wurden zu 100% sensibel gegenüber Fluorchinolonen (Enrofloxacin, Marbofloxacin), zu 70% gegenüber Doxycyclin und zu 55% gegenüber Trimethoprim-Sulfonamid. Anaerobe Bakterien waren zu 93% sensibel gegenüber Metronidazol. Am meisten Resistenzen wurden bei Pseudomonas aeruginosa nachgewiesen.
 
Aufgrund der Heterogenität der Erreger bei Zahninfektionen und Zahnabszessen und des variablen Vorkommens resistenter Bakterien, ist ein Antibiogramm immer indiziert.
 

Unterstützende Massnahmen

Analgesie ist eine wichtige Massnahme, um schmerzbedingte Anorexie und daraus resultierende gastrointestinale Probleme zu vermeiden. Assistierte Fütterung mit einem Ergänzungsfuttermittel und Flüssigkeitstherapie sind bei Hyporexie oder Anorexie zwingend.
 
Nagetiere mit Zahnerkrankungen selektieren oft weicheres (oft kohlenhydratreiches) Futter und vermeiden Heu. Die Konsequenzen sind eine Progression der Erkrankung und Komplikationen (z.B. Dysbiose, Obesitas).
 

Prävention

Artgerechte Fütterung ist die Grundlage für ein gesundes Tier.
 
Regelmässige tierärztliche Kontrollen sowie Besitzerschulungen erlauben es, frühe Stadien der Erkrankung zu erkennen und zu behandeln, was sich positiv auf die Prognose auswirkt.
 
Nager mit Zahnwachstumsproblemen sollten regelmässig zur Zahnkontrolle vorgestellt werden.
 
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