Die allgemeine chemische Struktur eines Lokalanästhetikums besteht aus drei Teilen: ein hydrophiles Ende, welches dem Molekül die Wasserlöslichkeit verleiht, ein lipophiles Ende, welches die Lipidlöslichkeit gewährt, und eine dazwischenliegende Kohlenwasserstoffkette, welche die zwei Enden verbindet (Kuschinsky 1984a; Heavner 1996b; Lamont 2002a). Basierend auf der Struktur der dazwischenliegenden Kette und derer Verbindung zur aromatischen Gruppe (Heavner 1996b; Lamont 2002a) werden Lokalanästhetika in zwei chemische Gruppen (Amid- und Estertyp) eingeteilt (Catterall 2001a; Khursheed 2001a). Das hydrophile Ende ist üblicherweise ein tertiäres Amin (ein Nitrogenatom mit drei angeschlossenen organischen Gruppen), es gibt aber auch wenige sekundäre Amine. Das lipophile Ende ist aromatisch und entweder von einer Benzoesäure oder einem Anilin abgeleitet (Heavner 1996b; Lamont 2002a).
Die Stärke des Lokalanästhetikums hängt mit dessen Lipidlöslichkeit zusammen; je stärker lipidlöslich, desto höher ist die Wirksamkeit, weil die Stärke der Lipophilie eines Moleküls die Tendenz einer Substanz bestimmt, sich mit der Lipidmembran zu verbinden. Auch die Dauer der Wirksamkeit steigt mit erhöhter Lipophilie (Khursheed 2001a). Das hydrophile Ende ist weniger einfach zu charakterisieren, obwohl Aminoderivate des Ethylalkohols oder der Essigsäure häufig sind. Einigen Lokalanästhetika (z.B. Benzocain) fehlt das hydrophile Ende, was sie in Wasser fast unlöslich macht. Sie sind daher nicht für Injektionen geeignet, aber auf Schleimhäuten und offenen Wunden anwendbar (Heavner 1996b).
Der Abstand zwischen den lipophilen und hydrophilen Komponenten beträgt 6 bis 9 Angström. Diese Distanz von vier oder fünf Atomen scheint der kritische Faktor zu sein, ob die Moleküle lokalanästhetisch wirksam sind oder nicht (Kuschinsky 1984a; Heavner 1996b).
Die meisten klinisch angewendeten Lokalanästhetika liegen in Form von Salzlösungen vor. In diesen Lösungen existieren die Wirkstoffe in zwei Formen: unprotoniert (B) und protoniert (BH+, positiv geladen). Der relative Anteil zwischen der ungeladenen Base (B) und dem geladenen Kation (BH+) hängt vom pH-Wert der Lösung und vom pKa-Wert des Lokalanästhetikums ab (Covino 1972a). Der pKa-Wert sekundärerer und tertiärer Amine liegt zwischen 7,6 und 9, Injektionslösungen haben einen pH-Wert von 4 - 6. Im Gewebe, das normalerweise einen pH-Wert von 7,4 aufweist, liegen 80% - 97% des Lokalanästhetikums in der geladenen, wasserlöslichen Form vor (Salzform). Kationisches Zentrum ist das quartäre Ammoniumion (Burgis 2002a; Löscher 2003c; Biel 2005a). Die Beziehung zwischen diesen verschiedenen Faktoren kann mit der folgenden Formel ausgedrückt werden:
pH = pKa - log(BH+/B)
Weil der pKa-Wert für jede chemische Verbindung konstant ist, hängt der relative Anteil von freien Basen und geladenen Kationen hauptsächlich vom pH-Wert der Lokalanästhetikumlösung ab (Covino 1972a).
Ist das Gewebsmilieu sauer, z.B. bei einer Entzündung, dann kann das dissozierte Salz nicht in die Base umgewandelt werden, daher das Lokalanästhetikum nicht in die Nervenzelle eindringen, und damit auch nicht die Erregungsleitung blockieren (Erhardt 2004j).
Ein Wechsel der Temperatur von 37°C (Körpertemperatur) auf Zimmertemperatur (23 - 24°C) kann die Löslichkeit der Lokalanästhetika merklich steigern (Rosenberg 1986a).
Bupivacain
Die Verfügbarkeit von Bupivacain ab 1963 war ein sehr wichtiger Schritt für die Entwicklung der Regionalanästhesie (Ruetsch 2001a).
Bupivacain gehört zu den Lokalanästhetika vom Amidtyp; die aromatische Gruppe ist mit der Zwischengruppe über eine Amidbindung verbunden (Löscher 2003c) und leitet sich vom Anilin (Aminobenzol, Phenylamin) ab (Thurmon 1999a). Der Austausch einer Methylgruppe mit einer Butylgruppe am lipophilen Ende von Mepivacain führt zur Bildung von Bupivacain, welches 15-mal lipidlöslicher und 4-mal potenter als Mepivacain ist (Heavner 1996b). Bupivacain weist eine ungefähre Lipidlöslichkeit von 30 (Teilungskoeffizient) auf, gehört somit zu den stark lipidlöslichen Agenzien und ist ein hochpotentes Lokalanästhetikum (Covino 1981a). Der chemische Namen von Bupivacain ist 1-Butyl-N-(2,6-dimethylphenyl)-2-piperidincarboxamid, die Summenformel lautet C18H28N2O. Das Molekulargewicht beträgt 288,43 und der Schmelzpunkt liegt zwischen 107,5 und 108°C (O'Neil 2001a). Der pKa-Wert beträgt 8,1 (Covino 1978a; Covino 1981a; Ruetsch 2001a); bei einem Gewebe-pH von 7,4 liegen fast 80% von Bupivacain in geladener kationischer Form, und nur circa 20% in ungeladener basischer Form vor (Covino 1978a). Der Oktanol/Puffer-Verteilungskoeffizient liegt bei 3420 (Büch 1998b). Bupivacain ist eine aussergewöhnlich stabile Verbindung, die keine Veränderung zeigt, nachdem sie mit starker Säure oder Lauge zum Sieden gebracht worden ist (Hall 2001c).
Bupivacainhydrochlorid
Das Molekulargewicht von Bupivacainhydrochlorid beträgt 342,91 und die Summenformel lautet C18H28N2O●HCL●H2O. Es handelt sich um ein weisses, geruchloses, kristallines Pulver, dessen Schmelzpunkt bei 258,5°C liegt. Die Löslichkeit in Wasser beträgt 40 mg/ml, in Alkohol 125 mg/ml. Bupivacainhydrochlorid ist leicht löslich in Aceton, Chloroform und Ether (O'Neil 2001a). Für medizinische Anwendungen werden 0,25 - 0,75%ige Lösungen verwendet (Werner 2002a).